Kapitel 3: Optische Aktivität

Nach A. I. Oparin und M. Eigen soll sich die erste Zelle auf der Erde von selbst in einer chemischen Suppe aus lebloser Materie entwickelt haben. Wir haben schon mehrere Gründe entdeckt, weshalb sich diese "chemische Suppe" überhaupt nicht gebildet haben konnte, und weshalb darin keine lebende Zelle von selbst entstehen konnte. Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb die "chemische Evolution" nicht funktioniert. Unsere Selbstorganisations-Theoretiker möchten das gerne vor dem nicht-unterrichteten Leser verbergen: die optische Aktivität. - Warum ist sie so wichtig? Was haben Wissenschaftler darüber herausgefunden?

Chemiker A. G. Cairns-Smith: "Wenn man die Produktion von recht kleinen Molekülen auf der Urerde im Lichte der chemischen Evolution betrachtet, als Teil eines Voranschreitens über Polymere zu den höher geordneten Systemen, ist es höchste Zeit, einmal innezuhalten und sich etwas ernsthafter mit der Frage der Chiralität (‚Spiegelbildlichkeit‘) zu befassen. Nur wenn die Chiralität der Monomere, wie der Aminosäuren und Zucker definiert ist, können aus ihnen gut organisierte Polymere gemacht werden. ... Wir sollten uns hier vielleicht der Bemerkung von Briggs anschließen, mit der Bonner seine Überprüfung des Ursprunges der Chiralität abschließt, dass ‚sie für die Hypothese der chemischen Evolution Probleme darstellt, die bis jetzt nicht gelöst werden können‘." (1982:34, 35).

"Wie sind hier auf ein großes Problem gestoßen: ein großer Teil der Frage über das Protein und die ganze Frage über die Nukleinsäure wäre verloren, wenn die Moleküle keine passenden sekundären/tertiären Strukturen hätten und das ist nur mit chiralischen (spiegelbildlichen) Strukturen möglich. Der abiotische (leblose) Pfad auf dem man dieses Problem zu umgehen sucht (durch die prävitale Auflösung der Enantiomere (= spiegelbildliche Strukturen), scheint hoffnungslos unzugänglich, und ‚biotische‘ (vom Leben stammende) Mechanismen sind auf leistungsfähige Maschinerie angewiesen, die schon arbeitet, wie z. B. Polymerisation, die chiralisch (= zwischen links- und rechtsdrehend) unterscheidet..." (1982:45).

Prof. Klaus Dose sagt über die "optische Aktivität": "Ein wichtiges Problem, das eng mit der chemischen Evolution der organischen Moleküle zusammenhängt, ist bis jetzt ungelöst: der Ursprung der Chiralität (optische Aktivität). Wie können sich biologische Systeme entwickelt haben, so dass sie bestimmte optische Gegenstücke bevorzugen? Die abiotische Synthese (= aus lebloser Materie) erzeugt Mischungen (die gleiche Mengen an D- und L-Formen der Aminosäuren, der Zucker und anderer Verbindungen) enthalten. Lebende Systeme verwenden jedoch ausschließlich eine dieser beiden möglichen enantiomorphosen (= spiegelbildlichen) Formen (entweder die D- oder die L-Verbindung). Eiweiße z. B., enthalten nur L-Aminosäuren. Diese Verbindungen sind optisch aktiv, weil sie die Ebene des linear polarisierten Lichtes verdrehen. ... Versuche mit der Wirkung polarisierten Lichtes auf chemische Systeme haben bis jetzt keine überzeugenden Ergebnisse erbracht." (1983:918).

Professor Hartmut Follmann sagt über die links- und rechtsdrehenden Aminosäuren, wie sie entstanden sind, und wie sich die erste lebende Zelle von selbst aus einem Gemisch links- und rechtsdrehender Aminosäuren entwickeln konnte: "Wir haben bis keine vollauf befriedigende Antwort." (1981:72, 72).

Prof. A. E. Wilder Smith schreibt über die optische Aktivität in "chemischen Suppen" und modernen Versuchen: "Biogenese (= Entstehung des Lebens), besonders wenn sie spontan vor sich gegangen sein soll - muss von optisch reinen l-Aminosäuren ausgehen, um die Eiweiße des Lebens, wie wir sie kennen, zu liefern. Auf natürliche Weise müssen die d-Säuren die Nukleinsäuren gebildet haben, denn vor dem Leben kann es keine natürliche Auslese gegeben hatten. ...

"Bei optischer Aktivität sind die linksdrehenden Formen und ihre rechtsdrehenden Antipoden in bezug auf chemische Stabilität gleich - Entropieunterschiede zwischen den beiden Formen existieren nicht. Deshalb kann die linke Form, die das Leben für seine Eiweiße in 100%iger Reinheit benötigt, durch Stabilitätsunterschiede infolge von Entropieunterschieden unter keinen Umständen optisch rein entstehen. Das gleiche gilt für die rechten Antipoden für das DNS-Molekül." (1983:34, 35, 41).

Warum?

Prof. A. E. Wilder Smith: "Denn ohne optische Reinheit kann überhaupt keine Zelle, kein DNS-Molekül, kein lebensfähiges Eiweiß und keine funktionierende Biologie existieren. Warum protestiert kein Vertreter der organischen Chemie gegen die Vergewaltigung seiner Disziplin, wenn durch naturphilosophische Spekulationen eine spontane chemische Entstehung - ohne die Gegenwart eines bereits bestehenden asymmetrischen Zentrums - von 100%ig reinen, optisch aktiven Molekülen propagiert wird, nur um eine spontane Abiogenese (= Leben aus lebloser Materie) ohne Lenkung von außen im materialistisch-darwinistischen Sinne plausible zu machen?" (1983:42).

Kann man in einer chemischen Suppe künstlich Eiweiße herstellen?

Prof. A. E. Wilder Smith: "Bei einem Überschuss an Wasser werden die Eiweiße des Lebens gar nicht gebildet. Die Baublöcke des Lebens, die einzelnen Aminosäuren, die in einem Urozean gebildet worden sind, werden nicht zu Eiweißen weiter synthetisiert. Überschüssiges Wasser spaltet die Eiweiße des Lebens und verhindert ihre Bildung. Wir wiederholen also die einzige logische Folge dieser Tatsache, weil: Eine Ursuppe in einem Urozean ist der allerletzte Ort, an dem eine spontane Biogenese (= das Leben von selbst entstehen kann) durch Kondensation obiger Art stattfinden kann. So scheitert der Mythos einer zufälligen, spontanen Bildung des Eiweißes des Lebens bei seiner ersten Stufe - nämlich an den Gesetzen der organischen Chemie." (1980:40).

Mr. Colin Patterson arbeitet als Paläontologie am berühmten Britischen Museum (für Naturkunde) in London, England. Er hat auch über das Leben auf der Erde und seinen Ursprung nachgedacht. Was hat er herausgefunden? Wie groß und wie kompliziert muss die erste Zelle mindestens gewesen sein? Was brauchte sie alles, um zu funktionieren?

Mr. Colin Patterson: "Die einfachste vorstellbare Zelle, mit der primitivsten Art der Ernährung hat wahrscheinlich einfache, recht untüchtige vergärende Prozesse verwandt, die nur einige Enzyme brauchen und als Nahrung einfache organische Moleküle verwenden, Milchsäuren oder Acetate (essigsaure Salze). Prokaryoten (Zellen ohne Kern), die sich so ernähren, gibt es noch. Einige lebende Prokaryoten sind sehr klein, nur etwa ein Tausendstel eines Millimeters im Durchmesser. Sie haben nur Platz für etwa hundert verschiedene Enzyme.

"Trotzdem haben sie, soweit wir wissen, die vollständige Kopier- und Eiweißsynthese-Maschinerie-DNA mit einem Triplet-Code, die drei Arten der RNA und die Enzyme, die das System kontrollieren. Solche Geschöpfe sind sehr dicht am einfachsten vorstellbaren Organismus. Er muss DNA haben, Boten-, ribosomale und Transport-RNAs und Enzyme, alles in eine einfache Membran eingeschlossen." (1978:159, 160).

Wie ist diese komplexe chemische Fabrik, die einfachste mögliche Urzelle entstanden - mit all ihrer Erbinformation und ihren Kopiermaschinen?

Colin Patterson: "Zwischen diesem kleinstmöglichen Organismus und der unorganisierten Mischung aus einfachen Molekülen, aus denen sie aufgebaut ist, liegt eine große Kluft. In der ‚Ursuppe‘, davon können wir überzeugt sein, waren diese einfachen Moleküle (Aminosäuren, Zucker, Purine, usw.), reichlich vorhanden; aber wie sie zusammenkamen, in ein geordnetes Ganzes, das wissen wir nicht. ..

"Bis jetzt ist es schwierig gewesen, glaubhafte Reaktionen zu finden, die die Purine und Pyrimidine mit dem Ribose-Zucker und den Phosphaten verbinden, um Nukleotide, die Bausteine des Lebens, herzustellen. ... Aber es ist immer noch ein sehr weiter Schritt von den sich selbst verdoppelnden Proteinen oder Nukleinsäuren, die der natürlichen Auslese unterworfen sind, bis zu dem einzigartigen und komplexen zusammenarbeitenden Eiweißsystem (das aus L-Aminosäuren aufgebaut ist) und den Nukleinsäuren (aus D-Zuckern aufgebaut), die das Leben kennzeichnen, wie wir es heute kennen. Bis jetzt können wir uns nicht einmal vorstellen, wie dieser Schritt vor sich gegangen sein soll. Das einzige, von dem wir sicher sein können, ist, dass viel Zeit vorhanden war." (1978:160)

Können wir wirklich so sicher sein, dass so "viel Zeit vorhanden war", dass sich die Zelle von selbst entwickeln konnte? Können wir wirklich so sicher sein, dass diese einfachen Moleküle (Aminosäuren, Zucker, Purine, Pyrimidine, usw.) "reichlich vorhanden" waren?

Keine Fossilien

Prof. Manfred Eigen versucht zu beweisen, dass sich die erste Zelle auf der Erde von selbst durch Naturgesetze aus anorganischer Materie entwickelt hat. - Welche fossilen Beweise hat er für seine neue Evolutionstheorie?

Prof. Manfred Eigen und Mitarbeiter: "Die fossilen Spuren aus jener Zeit sind zu Staub zerfallen oder wurden von späteren Generationen des Lebens verwischt. Was die überlieferten ‚immateriellen‘ Fossilien - der genetische Code, das Erbgut der heutigen Organismen und die bekannten Reaktionsschemata und der Biochemie - an Informationen bergen, ist so bruchstückhaft, dass sich die präbiotische Evolution wohl nie so genau konstruieren lässt wie beispielsweise die der Primaten." (1981:37).

Bedeutet das nun, dass es überhaupt keine sedimentären oder fossilen Beweise gibt, oder nicht genug davon, um festzustellen, ob es jemals eine "chemische Ursuppe" gegeben hat, in der sich in Hunderten von Millionen oder sogar Milliarden von Jahren die nötigen Chemikalien angesammelt haben, so dass sich dort die erste Zelle von selbst entwickeln konnte?

J. Brooks von der Chemieschule an der Universität von Bradford, England, jetzt beim British National Oil Corporation Department, hat diese Frage näher untersucht: die chemischen Beweise für die "Ursuppe". - Worauf müsste man in den präkambrischen Sedimenten achten, wenn man feststellen möchte, ob es jemals solch eine "chemische Suppe" gegeben hat?

J. Brooks: "So wie jede Gruppe von chemischen Reaktionen, erzeugt auch die Photosynthese keinen Überschuss in der Oxidation. Der Sauerstoff wird erzeugt, außer in der bakteriellen Photosynthese; aber eine ebenso große Menge an reduziertem Kohlenstoff wird ebenfalls erzeugt. Fast der ganze Sauerstoff wird schließlich verbraucht, um diesen reduzierten Kohlenstoff zu oxidieren. Und übrig bleibt von diesem Sauerstoff dann nur der Sauerstoff, der dem System entzogen worden ist und der als organische Materie abgelagert und begraben wird, bevor er oxidieren kann.

"Der Kohlenstoff wird in der Erdkruste festgehalten, und der freie Sauerstoff entsteht in der Atmosphäre, wenn abgelagerte Materie, die nicht oxidiert ist, begraben wurde, und dieser Mechanismus wirkt jetzt schon, seit es die ersten photosynthetischen Organismen im frühen Präkambrium gibt. Präkambrische Sedimente enthalten recht viel reduzierte Kohlenstoffmaterie (durchschnittlich 1,5 Prozent) und einige Schichten enthalten bis zu 12% organische Materie. Und präkambrische Kohle und Öle gibt es auch in der Erdkruste, die beträchtliche Mengen an abgelagerter organischer Materie enthalten. Und man hat berechnet, dass es etwa 12,2 x 1021 Gramm fossilen organischen Kohlenstoff gibt." Brooks, J. (im Druck) S. 6, 7).

"Photosynthesische Mikroorganismen waren daher schon in der Unteren und Oberen Onderwacht-Gruppe vorhanden. Und Streifen-Eisen-Formationen hat man in den alten archaischen Gesteinen Westgrönlands gefunden. Die ältesten bis heute bekannten Sedimente in der Welt sind wohl vor etwa 4,0 x 109 Jahren entstanden, bevor die großen gestaltsverändernden Geschehen vor etwa 3,75-3,85 x 109 Jahren eintraten.

"Die Streifen-Eisen-Formationen in den Godthaab- und Isua-Metasedimenten mögen anzeigen, dass es schon vor etwa 4,0 x 109 Jahren lebende Systeme gegeben hat. Davor soll die Erde noch zu heiß gewesen sein (bis zu 600°C), um Leben zu ermöglichen oder um das stabile Dasein von komplexen Lebensmolekülen, wie Proteinen und Nukleinsäuren, zu ermöglichen. Dadurch bleibt immer weniger Zeit, in der die chemische Evolution stattfinden konnte. Die Zeitspannen sind sehr verschieden von denen, die man gewöhnlich für die Modelle für die chemische Evolution angibt..." - Brooks und Shaw (1978:605).

H.-D. Pflug arbeitet am geologisch-paläontologischen Institut der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Er ist einer der wichtigsten Fachleute der Welt für präkambrische Fossilien. Was hat er festgestellt? - Er schreibt:

"Bereits vor 3,8 Milliarden Jahren gab es perfekte Zell-Organismen auf der Erde. Sie sind die ältesten bekannten Lebensreste, die man in Grönland entdeckte. Nach den heute vorliegenden Daten ist die Erde etwa 4,6 Milliarden Jahr alt. Meine Mitarbeiter und ich haben die ältesten bekannten Sedimentgesteine - die Isua-Gesteine von Südwestgrönland, die 1978 gefunden wurden - mikropaläontologisch untersucht. Die Onderwacht-Sedimente in Südafrika sind nur wenig jünger: 3,5 bis 3,6 Milliarden Jahre. Bemerkenswert ist, dass diese archaischen Schichtgesteine sich in ihren Merkmalen von Ablagerungen jüngerer Zeit kaum unterscheiden. ... Beträchtlich hoch sind stellenweise die Gehalte an Kohlenstoff organischen Ursprungs: das ist aus der Isotopen-Analyse des Kohlenstoffs ersichtlich. In den Isua-Quarziten kann der Kohlenstoffgehalt bis zu 3% der Gesteinsmasse ausmachen. Dieser Wert kommt denen vergleichbarer Ablagerungen aus späterer Zeit gleich." (1982:57).

Was schließen Sie daraus?

Prof. H.-D. Pflug: "Man muss daraus schließen, dass die biologischen Prozesse zur Isua-Zeit, zumindest lokal, nicht geringer waren als heutzutage. Es muss also vor 3,8 Milliarden Jahren florierendes Leben auf der Erde gegeben haben: Nur Organismen mit angemessener photosynthetischer Leistung können solche Mengen an Biomasse produzieren." (1982:57).

Was haben Sie sonst noch in den Isua-Gesteinen entdeckt?

H.-D. Pflug: "In diesen archaischen Sedimenten hat man auch Fossilreste gefunden. Die Gebilde sind durchweg von mikroskopischer Kleinheit, sogenannte Mikrofossilien. Der Befund zeigt, dass die Evolution zu dieser Zeit noch auf dem Stand einzelliger Organismen war. ... Erstaunlicherweise können sich Zellen, die nur aus organischer Weichsubstanz bestehen, über Jahrmillionen im Gestein erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass die Zellkörper bereits zu Lebzeit in eine Mineralsubstanz eingeschlossen worden sind."

"Sicher ist auch, dass es sich hierbei nicht um Lebensformen einer aller ersten Entwicklungsstufe handelte, sondern um perfekte Zell-Organismen: einige vergleichbar mit blaugrünen Bakterien, andere vielleicht sogar mit Hefepilzen. Bakterien der Gegenwart, selbst solche der einfachsten Bauart, setzen sich aus über 10.000 verschiedenen Inhaltsstoffen zusammen, die in kompliziertem Zusammenspiel die Lebensfunktionen des Organismus besorgen. Ein solch komplexer Apparat hat sich sicherlich nicht von heute auf morgen entwickelt, dazu bedarf es langer geologischer Zeiträume. ... In der Literatur findet man detailliert geschildert, wie das Leben auf der Erde entstanden sein soll. Oft versäumt man dabei anzumerken, dass sich das alles als reine Spekulation versteht."(1982:57, 58

Prof. H.-D. Pflug: "Aus den bis jetzt bekannten Funden kann man folgendes schließen:

1.      Der größte Teil der organischen Masse, die in den alten Sedimenten vorhanden ist, ist offensichtlich organischen Ursprungs. In diesem organischen Material deutet nichts darauf hin, dass es auf nicht-biologische Weise entstanden wäre.

2.      Auch die Annahme, dass es irgendeine präbiotische Evolution in der bekannten Geschichte der archaischen Erde gegeben hätte, wird durch nichts bewiesen. Im Gegenteil: die heutigen Funde deuten stark darauf hin, dass photosynthetische Bakterien schon von frühester Zeit an vorhanden und tätig waren. Von ihnen stammt der beachtliche Kohlenstoff-Anteil in den kohlenstoffhaltigen Schiefern und graphitischen Schiefern. Deshalb muss die organische Erzeugung schon im ganzen Präkambrium ständig hoch gewesen sein." (1983) B2-1.

 

Die erste Zelle

Hätte die erste Zelle auf der Erde aus anorganischer Materie entstehen können, wenn der erste vollständige Satz DNA oder RNA zuerst entstanden wäre? Und hätte der übrige Teil der ersten Zelle dann nach diesem ersten genetischen Code entstehen können? Stimmt das mit der heutigen Forschung überein? Beweist das Manfred Eigens neue "Gene zuerst" Evolutionstheorie?

Wolfgang F. Gutmann ist Privatdozent für Biologie. Klaus Bonik arbeitet als Biologe am Senckenbergschen Forschungsinstitut in Frankfurt am Main. Hätte ein vollständiger Satz DNA oder RNA von selbst in der Ursuppe nur einfach durch Naturgesetze entstehen können, als er noch nicht von einer lebenden Zelle umgeben war? Und hätte aus solch einem Satz RNA oder DNA die erste lebende Zelle entstehen können?

W. F. Gutmann und K. Bonik: "Eine vollständige Garnitur von DNS lässt auch bei Zugaben von allen nötigen chemischen Stoffen niemals einen Organismus entstehen. Bei der normalen Entwicklung eines Lebewesens liegt nie nur die sogenannte Erbinformation vor, sondern immer eine ganze lebende Zelle. In der Zelle und ihrem Stoffwechsel sorgen Regulierungsvorgänge dafür, dass die ‚richtigen‘ Teile des Erbapparates angeschaltet werden und ihren Einfluss ausüben. Die Erbmechanismen und deren Steuerung sind also nicht absolut vorgeordnet, sondern in das Geschehen der lebenden Zelle und in ihren Funktionskreis einbezogen.

Hätte sich das Leben auf der Erde von selbst entwickeln können, wenn zuerst nur der vollständige genetische Code einer Zelle da war, so wie Nobel Preisträger Manfred Eigen das glaubt?

Gutmann und Bonik: "Das Erbgut ist nicht ein unabhängiges Meisterprogramm oder eine Komandostelle für den Aufbau, es ist selbst sehr abhängig. Ohne eine lebende Zelle darum herum lässt sich kein Leben konstruieren. Was soll dann die Vorstellung, die DNS enthalte das Programm des Lebens?

"Bei der Entwicklung von Lebewesen im Ablauf der Keimesentwicklung entfaltet sich die Wirkung der Zellen. Sie bauen einen Großteil der Lebewesen auf. Zellen haben Membranen und Mitochondrien. Neue Membran kann offenbar nur durch Zuwachs älterer Membran entstehen. Mitochondrien, Organellen, die für den Stoffwechsel unbedingt nötig sind, können bekanntlich nicht neu gebildet werden, sondern teilen und vermehren sich und werden dabei auf alle Zellen des Organismus verteilt. Wenn es also eine Vererbung gibt, dann kann sie nicht auf die Gene und Chromosomen als Informationsträger beschränkt sein. Es sind zur Verwirklichung eines Organismus komplexe Gefüge nötig, die selbst wieder Informationscharakter haben (plasmische Vererbung).

"Bei der Entwicklung des Lebewesens wirken die Gene mit; diese notwendige Bedingung muss erfüllt sein. Die Mitwirkung lässt sich nicht zulänglich begründen, weil man vorher die Gesamtheit der Bedingungen kennen müsste. Aber in allen Stadien werden durch Rückwirkung aus dem jeweils erreichten Verband die nächsten Gene angeschaltet und neue Wirkungen in Gang gesetzt. Es bauen sich kausale Stränge durch das embryonale Geschehen hindurch auf. Immer agieren aber zelluläre Einheiten und Verbände, deren Wechselwirkungen im Aufbau und Differenzierungsgeschehen in der Sprache der Gene, in den Buchstaben der Nukleotide, gar nicht beschreibbar sind." - Gutmann und Botnik (1981:123, 124).

Prof. Hartmut Follmann: Die DNA kann "kein Primärprodukt primitiver Reaktionen sein. Zur Bereitstellung ihrer Bausteine, eben der 2-Desoxyribonucleotide, gibt es keinen der Biosynthese der Ribonucleotide parallelen Syntheseweg aus einfachsten Metaboliten. Vielmehr werden die vier Desoxyribonucleotide in komplizierten Reaktionen aus fertigen Ribonucleotiden gebildet, was ohne Enzymkatalyse kaum vorstellbar ist."

Wie ist dann der erste genetische Code auf der Erde entstanden?

Prof. Hartmut Follmann: "Wir müssen also offenbar akzeptieren, dass DNA in den ersten Lebensformen erst möglich wurde, als neben Ribonucleotiden auch schon für Reaktionen taugliche Katalysatoren verfügbar waren. Die in vielen Experimenten und Modellen stillschweigend zugrundegelegte Annahme, dass beide Arten Nucleotide einfach vorhanden waren, kann nicht stimmen! ...Die ersten Organismen, die diesen Namen verdienen - die ‚Progenoten‘, - müssen schon DNA gehabt haben." (1981:119, 120).

Der schottische Chemiker A. G. Cairns-Smith sagt über den ersten genetischen Code, die Polynucleotide und wie sie entstanden sind: "Es ist schwer, sich Polypeptide oder Polysaccharide in Urgewässern vorzustellen; noch schwerer ist es, sich dort Polynucleotide vorzustellen. Die Millerschen Versuche haben die wissenschaftliche Welt so stark beeinflusst, dass, wenn man Schriften über den Ursprung des Lebens liest (einschließlich vieler Grundschultexte), man meinen kann, es sei gut bewiesen, dass Nucleoside wahrscheinlich in der Ursuppe enthalten waren, und dass daher die prävitale Nukleinsäure-Verdoppelung, bevor es Leben gab, eine vernünftige Ansicht sei, die experimentell bewiesen sei.

"Es gibt wirklich viele interessante und ausführliche Versuche auf diesem Gebiet. Doch die Wichtigkeit dieser Arbeit liegt meiner Ansicht nach nicht darin, dass sie bewiesen hätten, wie Nucleotide auf der Urerde entstanden sind, sondern genau das Gegenteil ist der Fall: Diese Versuche helfen uns, viel besser zu verstehen, was sonst nicht möglich gewesen wäre, warum es höchst unwahrscheinlich ist, dass Nukleinsäuren von selbst aus lebloser Materie entstanden sind.

Warum ist es so schwer, DNA und RNA zu verdoppeln?

Chemiker A. G. Cairns-Smith: "In den heutigen Organismen hängt die Fähigkeit, die Erbinformation zu erhalten und zu drucken, von der Fähigkeit ab, höhere Chemie zu betreiben. - weit darüber hinaus, was organische Chemiker können, geschweige denn die Gewitter der Urzeit. Vielleicht gibt es einfachere Wege als unsere, um diese wichtigste aller Funktionen auszuführen. Aber Versuche, die Nukleinsäuren ohne Enzyme zu verdoppeln, waren erfolglos. Und wie wir sahen, gehören Nukleotide nicht zu den Bestandteilen, die wir in einer leblosen Suppe erwarten können.

"Erbinformation bedeutet, dass sie sich erhält, verdoppelt und fortpflanzt. Die Botschaften werden deshalb zu dem Zweck ausgewählt, die nähere Umwelt zu beherrschen. Für alles Leben, das wir heute auf der Erde kennen, sind die Mittel unendlich komplex. Viele verwickelte schwierige Botschaften müssen zusammenpassen, bevor irgendeine davon eine Sinn ergibt - bevor sie einen leistungsfähigen Gegenstand, einen Organismus entstehen lassen, der sich bis in die unbestimmte Zukunft hin fortpflanzt." (1982:25, 60).