Kapitel 1: Urknall

Warum ist das Universum da? Warum gibt es das? Warum gibt es Materie? Und warum gibt es Energie? Warum gibt es die Härte des Feuersteins und des Stahls und die Schönheit der Planeten, Sterne und Galaxien? - Warum existieren sie? Wie sind sie entstanden? Was haben die Wissenschaftler darüber herausgefunden?

Harald Fritzsch ist Professor für Physik an der Universität München. Er schreibt über die Theorie des Urknalls und seine verschiedenen Phasen: "Ausgangspunkt war die Urexplosion, die wir in der Folge als Nullpunkt unserer Zeitskala einführen wollen und bei der entsprechend den Extrapolationen der Physiker eine unendlich große Temperatur herrscht. ... Bis heute ist nicht klar, wie sich Materie bei Temperaturen von mehr als 1033 Grad verhält, da bei den dann vorliegenden Energiedichten unsere normale Vorstellung versagt, in der Zeit der Urexplosion und den 10-43 Sekunden danach die Temperatur des Universums höher als 1033 Grad gewesen ist." (1983:265).

Das Geheimnis der ersten 10-43 Sekunden. "Im Grunde genommen handelt es sich beim frühen Universum um ein recht einfaches Gebilde, dessen Zustand im wesentlichen durch die Angabe eines einzigen Parameters charakterisiert ist: durch die Angabe der Temperatur. Wenn man die Temperatur weiß, kann man berechnen, welche Arten von Teilchen im Universum eine Rolle spielen, wie oft diese Teilchen vorkommen und so weiter." (1983:266).

1. Epoche: Die mysteriösen ersten 10-43 Sekunden. "Vom Urknall bis 10-43 Sekunden nach dem Urknall war die Temperatur größer als 1032 Grad. Details über diese erste Epoche sind unbekannt."

2. Epoche: 10-43 Sekunden bis 10-33 Sekunden. "Diese Epoche beginnt nach Ablauf der ersten 10-43 Sekunden. Zu Beginn dieser Epoche ist die Temperatur etwa 1032 Grad. Das Universum ist mit einer ‚Ursuppe‘ von allen möglichen Teilchensorten angefüllt: unter anderem Quarks, Elektronen, Neutrinos, Photonen, Gluonen, X-Teilchen. Die Temperatur des Universums wird schnell niedriger. Nach Ablauf von 10-33 Sekunden sinkt die Temperatur unter 10-28 Grad. Die X-Teilchen zerfallen und hinterlassen in dem hochenergetischen Plasma mehr Quarks als Antiquarks. Die überschüssigen Quarks bilden den Grundstoff, aus denen sich später die Galaxien, Sterne und Planeten zusammensetzen."

"Wir betonen, dass der ‚Überschuss‘ der Quarks sehr geringfügig ist. Am Ende der 2. Epoche besteht das Universum aus einem sehr heißen Plasma, das Quarks, Antiquarks, Photonen und andere Teilchen enthält. Es gab damals ungefähr so viele Quarks beziehungsweise Antiquarks wie Photonen. Aus diesem Grunde ist die Anzahl der ‚überschüssigen‘ Quarks verglichen mit der Anzahl aller Quarks beziehungsweise Antiquarks, sehr klein, etwa von der Größenordnung 10-9. Auf eine Milliarde Quarks beziehungsweise Antiquarks entfällt nur ein ‚überschüssiges‘ Quarks. Der von den X-Teilchen hinterlassene ‚Überschuss‘ von Quarks spielt zunächst überhaupt keine Rolle." - Fritzsch, H. (1983:267, 268).

Zur Planck-Zeit oder zur Zeit Null?

Die Urknalltheorie soll erklären, wie unser Weltall vor etwa 10 bis 15 Milliarden Jahren in einer riesigen Explosion entstanden ist. - Wann? - Es gibt da zwei verschiedene Ansichten. Die eine Gruppe der Physiker sagt: Der Urknall fand in der Plank-Zeit statt, als das Weltall 10-43 Sekunden alt war. Das Universum hatte dann eine Planck-Länge von 4∙10-35 Meter, eine Planck-Temperatur von 3∙1032 Kelvin, eine Planck-Energie von 5∙109 Joule, und eine Planck-Masse von 5∙10-8 Kilogramm. Aus diesem einen Planckteilchen sei dann unser ganzes Weltall entstanden. - Und was vor dem Urknall? - Dann sagen sie: Es ist sinnlos, zu fragen: Was war vor dem Urknall?, weil es da kein "Vorher" gibt, denn Zeit und Raum unseres Weltalls sind damals erst entstanden. Vor der Zeit von 10-43 Sekunden (zur Zeit Null hin), brechen alle unseren physikalischen Gesetze zusammen. Es entsteht ein Schwarzes Loch, eine Singularität, ein Chaos. Und in diesem Schwarzen Loch wird alle Information vernichtet. Und in der Singularität gehen alle numerischen Werte ins Unendliche!

Physiker der anderen Gruppe dagegen sagen: Das Weltall ist im Urknall entstanden. Das stimmt. Aber nicht in der Planck-Zeit, als es schon 10-43 Sekunden alt war, sondern schon vorher: zur Zeit Null, in der Singularität. Zu dieser Zeit Null sind Zeit, Raum und Energie des Weltalls entstanden.

Frank Tipler ist Professor für Mathematik und Physik an der Tulane Universität von New Orleans, in Louisiana, USA. Er schreibt über die Planck-Zeit: "In der Literatur sieht man oft die Behauptungen, dass ‚der wahrscheinlichste Radius des Weltalls gemäß der Quantenmechanik die Plancksche Länge ist.‘ Solche Behauptungen sind nicht wahr. Sie entstehen, weil man versucht, der Quantenwelt klassische Konzepte aufzuzwingen; die einzige Längenskala, die in der Quantengravitation erscheinen kann, ist die Plancksche Länge. Daraus schließt man dann, dass der Radius, der dem Höchstwert der Wellenfunktion entspricht, die Plancksche Länge ist." (1986:212).

Professor Frank Tipler unterscheidet in seinen Büchern klar zwischen der "Zeit 0", die er als "Singularität" bezeichnet, und der "Planck-Zeit", wo das Weltall 10-43 Sekunden alt ist. Das Weltall beginnt zur "Zeit 0", und nicht in der Planck-Zeit von 10-43 Sekunden (1990:82) Tabelle 4.1, S. 123.

Michael Berry ist Professor der Physik an der Universität von Bristol, England. Auch er unterscheidet in seiner "Geschichte der Weltmaterie" zwischen der Planck-Zeit von 10-43 Sekunden, die er als "Quantenchaos" bezeichnet, und der "Zeit 0 (in Sekunden)". (1990:182) Tabelle 4.

Herwig Schopper ist Professor für Physik und früherer Generaldirektor von CERN, bei Genf, in der Schweiz. Er berichtet: "Neuerdings hat eine Spekulation des englischen Physikers Stephen W. Hawking in der Öffentlichkeit einigen Wirbel erzeugt. In seiner Theorie untersucht er die kosmische Periode, die noch vor der inflationären Expansion liegt und etwa nach 10-43 sec nach dem Beginn der Zeit endet. Auch hier muss das Universum wieder als Quantensystem behandelt werden, da seine Größe zu jenen Zeiten eine Milliarde mal eine Milliarde mal kleiner als ein Atomkern war. ... Heißer Urknall, kalte Inflation, Blasenuniversum: alle diese Theorien lassen ein Universum mit Anfang und Ende zu oder aber auch eine ewig fortbestehende Welt." (1989:390, 391).

Stimmt das?

Hat man die Urknalltheorie jetzt wissenschaftlich bewiesen? - Nicht alle sind davon überzeugt? Jonathan J. Halliwell arbeitet als Doktorand am Center of Theoretical Physics am Massachusetts Institute of Technology. Er hat vorher bei Stephen W. Hawking studiert. Er schreibt in der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft Febr. 1992 S. 50, über Theorien, die den Ursprung der Welt erklären sollen, unter der Überschrift "Quantenkosmologie und die Entstehung des Universums":

"Die gängigen Ideen versagen aber, wenn es darum geht, den eigentlichen Ursprung des Universums zu erklären oder auch nur zu beschreiben. ... Das Modell des heißen Urknalls sagt einige Eigenschaften des heutigen Weltalls genau voraus - die Entstehung von Atomkernen, die relativen Häufigkeiten bestimmter chemischer Elemente sowie die Existenz und genaue Temperatur der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, die als Nachleuchten des aus der Frühphase des Universums herrührenden Strahlungsfeldes den gesamten Kosmos erfüllt."

"Trotz dieser offensichtlichen Erfolge lässt das Urknall-Szenario zahlreiche Eigenschaften des Weltalls unerklärt. ... So enthält das heutige Universum eine riesige Anzahl von Gebieten, die zu keinem Zeitpunkt ihrer Vorgeschichte in kausaler Wechselwirkung miteinander gestanden haben können. Solche Regionen bewegen sich so rasch voneinander fort, dass Information nicht einmal mit Lichtgeschwindigkeit die Entfernung zwischen ihnen überwinden könnte. Dieses sogenannte Horizontproblem ist ein wesentliches Hindernis, wenn man die erstaunliche Gleichmäßigkeit der kosmischen Hintergrundstrahlung erklären will." - Halliwell, J. J. (1992:50, 51).

"Ein weiteres Problem ist das der Flachheit des Raumes. Der Urknalltheorie zufolge sollte diese Krümmung des Universums mit zunehmendem Alter unablässig wachsen. Aber der astronomischen Beobachtung zugängliche Teil des Weltalls erscheint außerordentlich flach. Dies lässt sich nur erklären, wenn die Krümmung des Universums zum Zeitpunkt seiner Entstehung bis auf mindestens 10-60 genau null war. Dass eine derartige Feinabstimmung vorausgesetzt werden muss, um verständlich zu machen, warum wir die Welt heute so und nicht anders sehen, erscheint vielen Kosmologen als ziemlich fragwürdig." (1992:51).

"Der vielleicht größte Mangel der Urknalltheorie ist allerdings, dass sie für das Entstehen großräumiger Strukturen wie der Galaxien kein befriedigendes Modell liefert...; der Ursprung solcher Fluktuationen selbst blieb freilich ungeklärt - sie mussten als Modellparameter vorgegeben werden.

"Alles in allem war der Erfolg der Urknalltheorie damit hochgradig von der Wahl passender Anfangsbedingungen abhängig. Dass genau solche Bedingungen bei der Entstehung unseres Weltalls vorgelegen haben sollten, ist jedoch so unwahrscheinlich, wie nach einem Erdbeben einen Bleistift anzutreffen, der noch auf der Spitze steht." - Halliwell, J. J. (1992:51, 52).

Das Universum: Kein Zufall

Ist das Universum von selbst entstanden, durch einen glücklichen Zufall? Oder ist es von einer übermenschlichen Intelligenz erdacht und gebaut worden?

Der deutsche Physiker Horst Hiller hat Berechnungen in der Astrophysik durchgeführt. Er schreibt in seinem Buch Die Evolution des Universums, unter der Überschrift "Das unwahrscheinliche Universum":

"Die Physiker fragen, warum das Universum die von uns beobachteten und gemessenen, und warum es gerade diese Eigenschaften besitzt? Diese Eigenschaften werden festgelegt durch physikalische Gesetze und wenige - etwa ein Dutzend - grundlegende physikalische Konstanten, also feste, vorgegebene Werte, die in den physikalischen Gesetzen enthalten sind. Das Newtonsche Gravitationsgesetz beispielsweise sagt etwas über die gegenseitige Anziehungskraft zweier Körper aus. Die Größe dieser Kraft wird durch die Gravitationskonstante festgelegt; sie ist eine solche physikalische Grundkonstante. Ihr Zahlenwert konnte gemessen, er kann aber nicht erklärt werden. Er wird als gegeben hingenommen.

"Eigentlich bezeugt die Graviationskonstante daher eine Art Unwissenheit. Wir wissen nicht, weshalb diese Konstante so und nicht anders ist, und das heißt letztlich auch, wir wissen nicht, weshalb die Schwerkraft gerade so groß und nicht größer oder kleiner ist.

"Zu diesem Satz physikalischer Größen gehört auch die Lichtgeschwindigkeit. Wir haben keine Erklärung dafür, dass sie gerade 299 000km/s beträgt und nicht kleiner oder größer ist. Dasselbe gilt für die Massen der Kernteilchen Proton und Neutron, die Masse des Elektrons und dessen elektrische Ladung, für die Hubblekonstante und die Materiedichte des Weltalls. Die letzten beiden Größen sind allerdings nicht konstant, sondern hängen vom Weltalter ab." Hiller, H. (1989:145).

"Scharfsinnige Überlegungen zeigen nun, dass jene physikalischen Grundgrößen nicht nur die Eigenschaften des Universums bestimmen, vielmehr verdankt dieses Universum seine Existenz überhaupt erst der Tatsache, dass diese Größen so und nicht anders sind. Es besteht ein sehr empfindliches Gleichgewicht. Wird eine der Größen gedanklich verändert, ergeben sich für das Universum und damit für das Leben und den Menschen weitreichende Folgen. Natürlich könnten auch einzelne Naturgesetze verändert werden, allerdings ist es dann wesentlich schwieriger, alle Folgen für die physikalische Welt zu durchdenken und zu verfolgen."

"Wäre die starke Kraft, die innerhalb des Atomkerns wirkt und hier die Kernteilchen Proton und Neutron zusammenhält, nur geringfügig schwächer, konnte es im Universum nur den Wasserstoff geben. Atome mit mehreren Kernteilchen wären nicht stabil, die etwas verringerte Kraft reicht nicht mehr aus, das Atom zusammenzuhalten. Aus Wasserstoff allein aber könnten wir wohl kaum bestehen.

"Wäre die Kraft nur geringfügig stärker, wäre es leichter, aus Wasserstoff Helium aufzubauen. Schon im Glutofen der Urexplosion wäre es dann zur vollkommenen Kernfusion gekommen. Kein Wasserstoff, nur noch Helium und schwerere Elemente hätte das Weltall nach diesem uranfänglichen Feuerwerk enthalten. Wie hätten die Sterne entstehen können, die von der Fusion des Wasserstoffs zu Helium leben? Die starke Kraft ist also in sehr engen Grenzen gerade von solcher Stärke, dass dieses Weltall entstehen und sich entwickeln konnte." - Hiller, H. (1989:146).

Und wie ist das mit der elektromagnetischen Kraft?

H. Hiller: "Die elektromagnetische Kraft bindet die Elektronen an den Atomkern. Wäre diese Kraft geringer, als sie tatsächlich ist, könnten die Elektronen nicht am Kern festgehalten werden, und es würde keine Chemie geben. Wäre die Kraft aber stärker, müssen die Elektronen in den Kern stürzen, und wiederum wären chemische Reaktionen und damit die Existenz von Leben unmöglich.

"Aber auch die schwache Kraft reagiert auf Veränderungen folgenschwer. Eine gedachte Verringerung verhindert die Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium, und den Sternen fehlte die Energiequelle. Eine Erhöhung der schwachen Kraft würde wiederum bewirken, das schon während des Urknalls alle Materie zu Helium verschmolzen wäre."

"Unser Universum ist also ein ganz unwahrscheinlicher Fall angesichts der unzähligen denkbaren Zahlenwerte der physikalischen Konstanten. Deren Abwandlung führt stets zu einem ganz anders gearteten Universum, so dass zumindest die Entwicklung von Leben unmöglich wäre. Es hat den Anschein, als wären die physikalischen Grundkonstanten nicht willkürlich, sondern so aufeinander abgestimmt, dass die Entwicklung von Leben garantiert ist. Es scheint, als wäre das Leben nur in diesem realen Kosmos denkbar." - Hiller, H. (1989:146, 147).

Expandierendes Universum

Wie schnell expandiert das Universum? Wie schnell dehnt es sich aus? Und wie schnell sollte es sich ausdehnen?

Horst Hiller: Das Weltall sollte "gerade mit solcher Geschwindigkeit expandieren, dass der Raum keine Krümmung aufweist... Die Expansionsgeschwindigkeit muss daher sehr nahe der kritischen Geschwindigkeit, oder, und das ist die gleiche Aussage, die Massendichte muss in der Nähe der kritischen Dichte liegen. ...

"Wäre die Expansionsgeschwindigkeit des sich ausdehnenden Universums nach dem Punkt Null nur um den Millionstel Teil kleiner gewesen, wäre die Expansion schon nach 30 Millionen Jahren infolge der Massenanziehung wieder zum Stillstand gekommen. Das Universum wäre in sich zusammengestürzt, ehe sich Sterne hätten entwickeln können. Wäre die Geschwindigkeit aber um diesen geringen Betrag größer gewesen, hätte sich die Materie bei der Expansion immerhin so schnell verdünnt, dass sie nicht zu Sternen und Galaxien hätte kondensieren können.

"Bei der bekannten Größe der Gravitationskraft expandierte das Universum also mit höchster Genauigkeit gerade mit solcher Geschwindigkeit, dass sich Galaxien entwickeln konnten. Galaxien und Sterne sind aber die Voraussetzung für Planeten und für das Leben. In ihrem Atomofen bauen die Sterne aber auch die schweren Elemente auf. Bei der Explosion eines Sterns am Ende seines Daseins stehen diese Elemente für die Bildung neuer Sterne und Planeten zur Verfügung. Schwere Elemente sind neben mancherlei anderen Voraussetzungen für die Entwicklung und die Existenz des Lebens notwendig." - Hiller, H. (1889:149, 150).

Zufall oder Planung?

Warum gibt es das Universum? Warum ist es da? - Durch Zufall oder durch Planung?

Horst Hiller: "Die Eigenschaften der Welt scheinen also nicht zufällig zu sein. Wir gewinnen den Eindruck, dass die Natur so eingerichtet ist, dass es letztlich Leben und den Menschen geben kann. Diese erstaunliche Feinabstimmung der physikalischen Grundkonstanten und der Anfangsbedingungen des Weltalls ließ Collins und Hawking als erste den Schluss ziehen: "Das Universum ist so, wie es ist, weil wir sind.‘"

"Die Frage nach dem Schöpfer stellt sich schon durch den Urknall an sich, denn bisher sind wir von einer Antwort auf die Frage, weshalb dieser Urknall vor 10 oder 20 Milliarden Jahren stattfand, also der Frage nach der Ursache jenes folgenschweren Ereignisses, weit entfernt. Nun kommt die erstaunliche Erkenntnis hinzu, dass dieses Universum gerade so beschaffen ist, dass es uns überhaupt erst geben kann. Die Frage nach dem überräumlichen und überzeitlichen Urheber dieses feinabgestimmten Systems liegt auf der Hand."

"Die Welt wird von einer umfassenden Naturgesetzlichkeit beherrscht. Ohne solche Überzeugung hätte es gar keinen Sinn, nach einer Einheitlichen Feldtheorie zu suchen. In dieser Theorie sollten alle Naturgesetze und Grundgrößen zusammenhängen. Es bestehen jedoch Beziehungen zwischen den vier Grundkräften und den Konstanten der Natur. Die elektromagnetische, die schwache und die starke Kraft konnte bereits als Ausdruck einer einzigen Kraft erklärt werden. Es fehlt noch die Gravitation, aber die Physiker hoffen, eines fernen Tages alle vier Grundkräfte in einer Theorie auf eine einzige Kraft zurückführen zu können." - Hiller, H. (1989:152).

Wie genau?

Wie genau muss das Weltall eingestellt gewesen sein, als es begann, sich nach allen Seiten hin gleichmäßig auszudehnen? Und wie genau musste seine Masse bestimmt worden sein?

Horst Hiller: Sehen wir uns an, "was das für den frühen Zustand gleich nach dem Punkt Null bedeutet. Wäre das Massenverhältnis exakt gleich 1 gewesen, wäre dieser Wert während der Expansion des Kosmos beibehalten worden, und wir würden im offenen euklidischen Kosmos existieren. Abweichungen des Massenverhältnisses vom exakten Wert 1 wachsen mit der Zeit aber stark an. Berechnungen erbringen ein ganz erstaunliches Ergebnis. Damit die Materiedichte heute im angegebenen Bereich von 0,1 bis 2 liegen kann, muss die Abweichung von dem kritischen Massenverhältnis eine Sekunde nach der Geburt des Kosmos so wenig von 1 verschieden gewesen sein, dass sich erst die 15. Stelle hinter dem Komma ändern dürfte, also etwa

1,000 000 000 000 005

Es scheint einfach unglaublich, dass sich dieser Wert so genau einstellen konnte. Weshalb liegt das Dichteverhältnis nicht bei 100 oder bei 0,01?"

Urknall: Computersimulation

Was braucht man, um ein Universum zu machen: seine Teilchen, Atome, Moleküle, Sonnensysteme und Milchstraßen? Was musste man wissen und können, um unser Weltall zu erschaffen? Welche physikalischen Gesetze und Naturkonstanten musste man da anwenden? Was muss man wissen und können, wenn man "nur" den Anfang unseres Weltalls in einem Computer simuliert?

Der amerikanische Physiker Heinz R. Pagels erklärt dazu in seinem Buch Die Zeit vor der Zeit (1987:265): "Stellen wir uns vor, wir hätten einen Supercomputer, dem alle uns heute bekannten physikalischen Gesetze einprogrammiert sind. Das Programm enthält das Standardmodell der Quarks, Leptonen und Gluonen und einige in Versuchen ermittelten Eingabeparameter, wie etwa die Massen der Quarks und Leptonen und die Wechselwirkungsstärken der Gluonen. Mit diesen Daten kann der Supercomputer die Eigenschaften der Hadronenteilchen berechnen, bestimmen, wie sie aneinander gestreut werden und daraus ein Modell der Kerne und Atome konstruieren.

"Der Supercomputer hat auch die Einsteinschen Gleichungen im Programm. Er leitet daraus ab, dass es drei homogene und isotropische Räume gibt, die das ganze Universum beschreiben könnten: die FRW-Kosmologien. Allerdings müssen wir dem Supercomputer sagen, welche dieser drei FRW-Kosmologien für unser Universum gilt. Zur Definition geben wir ihm an, dass der kosmische Parameter Omega = 1/10 der offenen FRW-Kosmologie entspricht. Wenn die gesamte Materiedichte etwas unter oder über diesem Wert liegt, sagt uns der Computer, dass sich die Berechnungen des frühen Universums dadurch nicht wesentlich ändern.

"Schließlich sind in den Supercomputer auch noch die Hauptsätze der statistischen Mechanik und der Thermodynamik einprogrammiert. Wir sagen dem Computer, dass er für ganz frühe Perioden in der Geschichte des Universums dieses wie ein homogenes Gas aus Quantenteilchen behandeln kann, das sich nach den Gesetzen der statistischen Mechanik richtet. Das ist eine gewaltige Vereinfachung, die uns sehr viel Rechenzeit spart. Der Computer gibt an, dass sich ein solches Gas annähernd im Gleichgewicht befindet; zur vollständigen Berechnung braucht er nur die Temperatur des Gases, die spezifische Entropie der verschiedenen Quantenteilchen, die Erhaltungssätze für die Wechselwirkungen der Quantenteilchen und ihre Massen. Diese Daten geben wir ein, und dann kann er loslegen." - Pagels, H. (1987:265, 266).

"Unser Supercomputer simuliert das Universum so, wie die in der Astrophysik eingesetzten Computer die Evolution der Sterne nachvollzogen haben. Wie Galileis Fernrohr in früheren Zeiten, so können uns Computer heute dank ihrer Fähigkeit, komplizierte Informationen zu handhaben, ein neues Fenster zur Wirklichkeit auftun. Sie zeigen uns ein Bild einer Welt, das wir sonst nie erblicken würden.

"Der Supercomputer liefert uns nicht nur ein quantitatives Modell vom Universum, sondern verhilft uns auch zu einer einfachen visuellen Vorstellung, mit deren Hilfe wir das Simulationsergebnis, besonders für die Zeit des Urknalls, interpretieren können. Man darf sich den Urknall nicht als Explosion vorstellen, die an einem bestimmten Punkt im Raum anfängt und dann nach außen fortschreitet. Viel besser lässt sich der Urknall so denken, dass der Raum des Universums geschlossen und einfach die zweidimensionale Oberfläche einer Kugel ist. An der Oberfläche dieser Kugel befindet sich das homogene Gas aus Quantenteilchen von einer bestimmten Temperatur, das nach den Gesetzen der statistischen Mechanik reagiert. Die Expansion oder Kontraktion des Universums stellt man sich als Ausdehnung oder Schrumpfung dieser Kugel vor. Wenn sich die Kugel mit der Zeit zusammenzieht, erwärmt sich das Gas an der Oberfläche; dehnt sie sich aus, so wird es kälter." - Pagels, H. R. (1987:266).

Was geschieht dann?

H. R. Pagels: "Jetzt lassen wir den Supercomputer arbeiten. Er berechnet uns die Eigenschaften des Universums, dass sich mit der Zeit entwickelt. Wir können das auf Bildschirmen und in Kurven vorliegende Ergebnis in Ruhe prüfen und in allen Einzelheiten feststellen, was da vor sich geht. Gleich zu Anfang fällt uns auf, dass sich die interessantesten Ergebnisse auf die ganze frühe Zeit beziehen, also die ersten Minuten, Sekunden und Mikrosekunden. Der Grund: In dieser Phase ist die Temperatur des Photonengases so weit angestiegen, dass dieses Gas signifikant mit Materie reagieren kann. Nach der ersten heißen Anfangszeit spielt sich, was die mikroskopische Quantenteilchenphysik betrifft, bis zum heutigen Tag ein paar Milliarden Jahre nichts Aufregendes mehr ab. In dieser späteren Phase bilden sich die wichtigen makroskopischen Strukturen, also Galaxien, Planeten und das Leben, aus dem Urgas.

"Bei unserer Untersuchung des allerfrühsten Universums erfahren wir, dass der Grundparameter, dem alle physikalischen Abläufe untergeordnet sind, die Temperatur des Gases aus wechselwirkenden Quantenteilchen ist, das den Raum des Universums völlig ausfüllt. Da die Temperatur der Durchschnittsenergie dieser zusammenstoßenden Teilchen proportional ist, bestimmt sie auch, welche neuen Quantenteilchen aus der Stoßenergie entstehen können.

"Eine Mindestschwellenenergie ist notwendig, wenn Teilchen von bestimmter Masse nur aus Energie entstehen sollen. Derartige Energieschwellen beobachtet man auch in Experimenten an Hochenergiebeschleunigern; dort muss ebenfalls eine Mindestenergie aufgebracht werden, damit neue Teilchen entstehen. Diese spezifischen Energie- oder Temperaturschwellen lassen sich aus der bekannten Masse-Energie der im Laboratorium beobachteten Quantenteilchen berechnen. Da die Temperatur des Universums steigt, je weiter wir in der Zeit zurückgehen, bedeutet die Existenz von Temperaturschwellen für die Teilchenentstehung, dass man sich das Universum in seiner Frühzeit als eine Folge von Phasen oder Zeiten vorstellen kann, die jeweils durch eine solche Schwelle voneinander getrennt sind." - Pagels, H. R. (1987:267).

Was meinen Sie mit dieser "Schwelle", mit dieser "Energieschwelle"?

Heinz R. Pagels: "Betrachten wir zum Beispiel die Schwelle, die zu Beginn der ‚Leptonenphase‘ auftritt: das Universum ist erst rund eine Sekunde alt, und die Temperatur liegt bei etwa 1010 K. (Von hier ab sind alle Temperatur- und Zeitangaben nur Annäherungswerte.) Unterhalb dieser Temperatur besteht das Universum vorwiegend aus einem strahlendem Gas, aus Protonen. Wenn sich jetzt das Universum über diese Temperatur hinaus aufheizt, geschieht etwas Neues. Die kollidierenden Photonen werden so energiereich, dass Photonenpaare zusammenstoßen und sich in massive Elektron-Positron-(Antielektron-) Paare verwandeln. Wir wissen genau, bei welcher Temperatur dieser Prozess einsetzt, denn die Mindestenergie eines Photons, das diese Umwandlung durchmacht (sie ist der Photonentemperatur proportional), ist genau gleich der Elektronenmasse, einer bekannten Größe, multipliziert mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Das ist die Einsteinsche Gleichung E = mc². Natürlich zerstrahlen die Elektronen und Positronen gleich nach der Entstehung wieder zu Photonen, aber sie bleiben immer so lange bestehen, dass sie die Dynamik des Gases beeinflussen." (1987:267, 269).

"Diese Teilchen-Antiteilchen-Bildung zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte vom Urknall, solange die Temperatur weiter ansteigt und schließlich über die Schwelle der Leptonenphase bei 1010 K hinausgeht. Bei noch höheren Temperaturen bilden die Photonen Myon-Antimyon-Paare. Das Universum füllt sich mit zunehmender Erwärmung mit allen möglichen Quantenteilchen und deren Antiteilchen - ein Schauplatz des Werdens und Vergehens. Ein paar wichtige Einzelheiten aus diesem Bild sollten wir uns merken.

"Zunächst kann man die entstehenden Quantenteilchen, obwohl jedes eine charakteristische Ruhemasse aufweist, als masselos betrachten, genau wie die Photonen, sobald die Temperatur des Universums wesentlich über der Ruhemasse-Energie liegt. Diese nützliche Näherung ist zulässig, weil sich die Teilchen bei hoher Temperatur so schnell bewegen, dass fast ihre ganze Energie in der Bewegungsenergie, nicht in der Ruhemasse-Energie steckt. Die Materieteilchen werden praktisch zu einer Art Strahlung, nämlich masselos, und bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit.

"Gleich nach ihrer Entstehung teilen sich die neuen Partikeln mit den Photonen die insgesamt verfügbare Urknallenergie. Sobald zum Beispiel die Temperaturschwelle für die Bildung von Elektronen und Positronen überschritten ist, besteht das Universum zu etwa gleichen Teilen aus Photonen, Elektronen und Positronen, und alle haben etwa dieselbe Energie. Diese Gleichverteilung verschiedener Partikeln und ihrer Energie rührt daher, dass sich das Universum bei seiner Ausdehnung im Gleichgewicht befindet; die Geschwindigkeit der Teilchenstöße ist höher als die Expansionsgeschwindigkeit des Universums. Jetzt kann die vorhandene Energie gleichmäßig auf alle Teilchenklassen verteilt werden, die sich an den Wechselwirkungen beteiligen. Wenn wir uns zum Beispiel vorstellen, dass einen Sekundenbruchteil lang mehr Photonen als Elektronen und Positronen vorhanden sind, dann entstünden so lange mehr Elektronen und Positronen, bis ein Gleichgewicht einträte."

"Mit den Gesetzen der statistischen Mechanik (und entsprechenden Änderungen, um die unterschiedliche Quantenstatistik für Teilchen mit ganzzahligem und halbzahligem Spin zu berücksichtigen) kann man die Teilchenzahl pro Volumeneinheit für jedes der verschiedenen Quantenteilchen genau bestimmen, die sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt während des Urknalls im Gleichgewicht befinden. Dank der statistischen Mechanik können wir diese Zahlen allein aus der Tatsache ableiten, dass die Teilchen im Gleichgewicht sind; die Einzelheiten der komplizierten Wechselwirkungen brauchen uns dabei nicht zu kümmern. ... Die Bedeutung der exakten Erhaltungssätze, zum Beispiel für die Ladung, die Leptonenzahl und die Baryonenzahl, über die ich weiter oben schon gesprochen habe, tritt jetzt ebenfalls zutage." - Pagels, H. R. (1987:270).