Kapitel 4: Der Dachs

Auch der Dachs hat früher viel weiter im Norden gelebt als heute, zusammen mit dem Mammut, dem Löwen und dem Steppeniltis. Wie weit im Norden hat man die Überreste des Dachses gefunden? In was für einem Klima hat dieses Tier dort gelebt? Ist der Dachs arktischem Klima angepasst? Kann er in Eis und Schnee leben, wo der Boden ständig gefroren ist? Was haben die Wissenschaftler darüber herausgefunden?

Elaine Anderson schreibt: „Der Dachs lebt heute nicht in Alaska. Die nächste Stelle, wo er heute lebt, liegt am Peace River, 58°N, im nördlichen Alberta, ungefähr 1.800 km südöstlich vom Fairbanks Gebiet. Im späten Pleistozän bewohnte der Dachs die nicht vereisten, grasbedeckten Steppen Mittel-Alaskas und des nördlichen Yukon (Gold Run Creek, Harington, 1970), und Dominion Creek (Harington, persönliche Kommunikation). Die Überreste von Taxidea (= des nordamerikanischen Dachses) sind viel zahlreicher als die der anderen Musteliden Alaskas in der Frick Sammlung. ... Die Alaska-Dachse waren sehr groß. ... Andere große spätpleistozäne Dachse kennt man vom Dominion Creek, Yukon Territorium...“ (1977:15, 17).

„Dachse bewohnen Prärien und offene Wälder, wo sie in der krümeligen Erde graben können. Ihre Nahrung besteht aus Insekten und kleinen Wirbeltieren, besonders Nagetieren. Obwohl Dachse während der Kälteeinbrüche inaktiv sind, sind sie keine wahren Winterschläfer. Die Tatsache, dass der Dachs im späten Pleistozän in Alaska gelebt hat, beweist, dass das Klima dort damals milder gewesen ist. Denn heute liegt sein Lebensraum südlich der Subarktis (= südlich des Dauerfrostbodens).

„Hopkins (1967) und Guthrie (1968) sind davon überzeugt, dass das Refugium im späten Pleistozän dort zum großen Teil mit Gras bewachsen war. Denn nur dann konnten die vielen Pflanzenfresser dort leben. Die Überreste von drei obligatorischen Grasfressern, Bison, Equus und Mammuthus umfassen mehr als 85 Prozent der Fossilien, die man im Fairbanks Gebiet gesammelt hat. Und die Anwesenheit vieler Präriebewohner, einschließlich Taxidea taxus und Mustela eversmanni, unterstützt auch diese Hypothese. Viele Tierarten des Pleistozäns waren sehr groß. Das war für sie kennzeichnend. Und die Überreste von Gulo gulo (Vielfrass) und Taxidea taxus (nordamerikanischer Dachs) aus den Fairbanks Sedimenten sind die größten, die man bis jetzt gefunden hat.“ Anderson, E. (1977:19, 20).

C. R. Harington bemerkt dazu: „Ich glaube, dass das Gebiet zwischen den Prärien und Dawson und Fairbanks im späten Pleistozän zum großen Teil mit Grasland oder Parkland bewachsen war. Weil man sich die Dachsfossilien in diesen Gebieten nur so erklären kann. ... Dachse bewohnen offene Prärien und Parklandschaften. Sie zeigen deutlich an, dass dieses Gebiet früher mit Gras bewachsen war.“ (1977:465, 466).

Und über den eurasischen Dachs sagt R. G. Klein (1971:141, 145): Der Dachs (Meles meles) hat während der Letzten Vereisung am oberen Ob Fluss, in West Sibirien, bei 50-53°N, gelebt. Gemäß K. Vereschchagin und G. F. Baryschnikov (1984:487) hat der Dachs Meles meles während des späten Pleistozäns auf der Russischen Tiefebene, auf der Krim und in Sibirien gelebt.

Nordamerikanischer Dachs (Taxidea taxus). Aus: Grzimeks Enzyklopädie (1988:426) Bd. 3. Der Nordamerikanische Dachs (Taxidea taxus) und sein Verwandter, der Eurasische Dachs (Meles meles) leben beide südlich der Zone des zusammenhängenden Dauerfrostbodens, südlich der subarktischen Zone. Der Nordamerikanische Dachs hat zusammen mit dem Wollhaar-Mammut in Mittelalaska und im mittleren und nördlichen Teil des Yukon Gebietes gelebt, als es dort oben keinen Permafrost gab.

 

Yukon/Alaska Eiszeit Klima

Die berühmte amerikanische Paläontologin Elaine Anderson schließt daraus: „Die Gegenwart von Dachsen in Alaska während das späten Pleistozäns zeigt an, dass das Klima dann milder gewesen ist. Weil ihre nördliche Verbreitung durch subarktische Zustände begrenzt.“ (1977:19). Das bedeutet: Es hat damals keinen Dauerfrostboden in Mittel-Alaska und im nördlichen Yukon Territorium gegeben, als der Dachs, Taxidea taxus dort zusammen mit dem Mammut lebte! Das Klima war dort damals nicht einmal subarktisch, sondern gemäßigt.

Andere Paläontologen behaupten aber noch, dass Alaska und der Yukon während der spätpleistozänen Wisconsin/Würmzeit ein strenges arktisches Klima hatten. Es soll dort dann viel kälter gewesen sein als jetzt. – Wie passt das jetzt zusammen? –Schauen wir uns zuerst das Eiszeitklima Yukon/Alaskas an.

Wärmster Monat

Während der Letzten Eiszeit lag die klimatische Schneegrenze in West Alaska 900 m über dem heutigen Meeresspiegel. Und in Ost Alaska und dem West Yukon Territorium lag sie 1.500 m über dem heutigen Meeresspiegel (Péwé 1975). Absinkrate in Alaska 0,49°C/100 m. Das Tiefland hatte daher eine mittlere Juli Temperatur von 4,41°C; der höhere Boden weniger. Ost Alaska und der zentrale West Yukon hatten dann eine Julitemperatur in den Tälern von 7,35°C, auf den Hochländern weniger. Die niedrigere Schneegrenze während der Wisconsin Vereisung zeigt uns, dass der Sommer dann viel kürzer, kälter und nässer war als jetzt. Weil die klimatische Schneegrenze direkt mit der mittleren Lufttemperatur des wärmsten Sommers zusammen hängt. Nasse Tundra bedeckte dann das Land. Es war so kalt, dass die Bäume dort nicht wachsen konnten, außer vielleicht in einigen geschützten Tälern (Péwé 1975).

Gemäß B. Frenzel (1992:41) waren der West Yukon und Ost Alaska dann im wärmsten Monat des Jahres, während des Höhepunktes der Letzten Eiszeit 4° bis 6°C (oder durchschnittlich 5°C) kälter als jetzt. Heute beträgt sie 14°C. Die mittlere Juli oder August Temperatur betrug dann 9°C.

Jährliche Lufttemperatur und Permafrost

Mittel Alaska und West Yukon haben jetzt eine mittlere jährliche Lufttemperatur von –6°C (-4 bis -8°C) (Péwé 1975). Während der Letzten Eiszeit war es in Mittel Alaska und dem West Yukon 8°-10°C oder durchschnittlich 9°C kälter als jetzt. Das gibt uns dann eine mittlere jährliche Lufttemperatur von –15°C. Während der Letzten Eiszeit hatten Mittel-Alaska und der Yukon 800-m tiefen Permafrost, mit aktiven Eiskeilen. Alaskas heutige Nordküste (am Eismeer) hat jetzt eine jährliche Lufttemperatur von „nur“ –12°C (Péwé 1975). Die Permafrost-Temperatur in Mittel Alaska und dem Yukon war –15°C x 1,32 = -19.8°C mittlere jährliche Lufttemperatur. Das bedeutet. Während des Höhepunktes der Letzten Eiszeit muss Mittel Alaska dann ebenso kalt gewesen sein, wie der nördlichste Teil Grönlands heute. Dort liegt die mittlere Jahrestemperatur der Luft jetzt bei –20°C.

Nordamerika heute

In welchem Klima lebt der nordamerikanische Dachs Taxidea taxus jetzt an der Nordgrenze seines Lebensraumes? Wir sollten hier bedenken: Das ist nur das Grenzgebiet der Dachsheimat (mariginal habitat). In seiner normalen Heimat, weiter im Süden, ist es ist noch wärmer.

Oberer See 47°N. 120 Tage über 10°C. 2.000°C 10°C.ts. 600 mm P.E. 18°C Juli Temperatur. 3°C Jahrestemperatur der Luft. Kein Permafrost. 45 kcal/cm² netto Strahlung an der Oberfläche der Erde.

Südliches Manitoba, in der Nähe der U.S.A.-Grenze bei 49°N. 120 Tage über 10°C. 2.000° 10°C.ts. 600 mm P.E. 18°C Juli Temperatur, 4°C Jahrestemperatur der Luft. Kein Permafrost. 40 kcal/cm² netto Strahlung an der Erdoberfläche im Jahr.

Alberta 58°N. 120 Tage über 10°C. 1.500° 10°C.ts. 500 mm P.E. 16°C Juli Temperatur 0° bis 1°C Jahrestemperatur der Luft. Kein Permafrost. 32 kcal/cm² netto Strahlung an der Erdoberfläche im Jahr.

Wo der Nordamerikanische Dachs (Taxidea taxus) heute lebt, wie weit im Norden im südlichen Teil Kanadas (dunkles und punktiertes Gebiet auf Karte). Aus: Milan Novak et al. (eds.), Wild Furbearer Management and Conservation in North America (1987:595) Bild 6.

 

Ergebnis

Der nordamerikanische Dachs Taxidea taxus hat in Mittel-Alaska und dem nördlichen Yukon Territorium zusammen mit dem Mammut gelebt. Das Klima war dort oben dann mild und gemäßigt. Dort gab es dann keinen arktischen Winter. Dort gab es dann keinen Dauerfrostboden, keine Eiskeile und keine arktische Tundra und keine Waldtundra. Auch heute bleibt der Dachs unter der Südgrenze des Permafrostes, wie dies schon Elaine Anderson (1977) erkannt hat. Das Klima an der heutigen Nordgrenze des Verbreitungsgebietes des nordamerikanischen Dachses zeigt uns ganz klar, wie warm es mindestens gewesen sein muss, als dieses Tier in Mittel-Alaska und dem nördlichen Yukon Territorium lebte:

Es gab dann 120 Tage über 10°C im Jahr. Die Temperatursumme mit Tagen über 10°C betrug 1.500-2.000° im Jahr. Die jährliche potentielle Evapotranspiration betrug 500-600 mm. Die mittlere Lufttemperatur war 0°C bis 4°C. Es gab dann keinen Permafrost, keine Eiskeile und keine arktische Tundra. Die Nettostrahlung an der Erdoberfläche war 32 bis 45 kcal/cm² im Jahr.

Das ist im nördlichen Grenzgebiet des Dachse. Das normale Klima, in dem der Dachs jetzt lebt, war noch wärmer. Das Klima, in dem der Dachs und das Mammut im späten Pleistozän in Mittel-Alaska und dem nördlichen Yukon gelebt haben, war dann auch noch wärmer.