Kapitel 5: Rentier/Karibu

Zusammen mit den gefrorenen Überresten des Mammuts und des Fellnashorns hat man im Hohen Norden auch die Knochen des Rentieres (Rangifer tarandus) gefunden. Nordamerikas einheimisches Rentier nennt man Karibu. Die Überreste des Rentieres hat man auch viel weiter im Süden gefunden, wo es jetzt nicht lebt: im südlichen Sibirien und südlichen Europa. – Was beweist das? Wo lebt das Rentier jetzt? Wie weit im Süden? Ist das Rentier ein arktisches Tier? Könnte das Mammut im Hohen Norden so grasen, wie das Rentier heute? Was haben Wissenschaftler darüber herausgefunden?

Der deutsche Paläontologe R.-D. Kahlke (1994:80) berichtet über das Rentier (Rangifer tarandus): „Während der letzten Vereisung erstreckte sich sein Gebiet von N-Spanien nach dem Fernen Osten der russischen Föderation und über Beringien nach N-Amerika. Die vielen Stellen, wo man es gefunden hat, zeigen uns, dass das Kälte-unempfindliche R. tarandus in der offenen Steppentundra gelebt hat, aber auch in Taiga-ähnlichen Biotopen. Gemischte Wälder vermied es.

„Das Rentier besiedelte das Tiefland und auch bergige Gebiete. Die südlichen Gebiete, hauptsächlich sein europäisches Gebiet, erstreckten sich in die Zonen eines milderen Klimas. In dichte Wälder ging Rangifer nicht. Die (südliche) Grenze seines Gebietes, gemäß den Fossilien, die man jetzt in Europa gefunden hat, lag ungefähr zwischen 42°N und 44°N, und in Asien zwischen 49°N und 52°N. Halbwüsten und Wüsten verhinderten hier oft, dass es weiter nach Süden vorrückte. Nur im Primorski Krai haben die Tiere den 45. Breitengrad überquert.“

Das Rentier (Rangifer tarandus) im Spätherbst auf der arktischen Tundra. Auch das weibliche Ren trägt ein Geweih, ist aber kleiner. A. N. Komarov hat es gezeichnet. In V. G. Heptner (1966:388). In Eurasien lebt das Rentier im Hohen Norden, auf der Polarwüste und arktischen Tundra, und weiter südlich in der Taiga (nördlichen Nadelwald). Dieser Hirsch lebt aber auch viel weiter im Süden in der gemäßigten Zone, in der Steppe und Waldsteppe des Altai, auf dem Mittelasiatischen Hochplateau. Deshalb kann man nicht sagen, das Rentier beweise ein arktisches Klima.

Karibu, wie schwer

Während das späten Pleistozäns hat das Karibu im Hohen Norden auf einer zonalen Steppe und Waldsteppe gelebt, und nicht auf arktischer Tundra. Sie entstand später, nach der Eiszeit. Dieses Rentier hat dort zusammen mit vielen anderen Arten von Tieren gelebt, die der Steppe und Waldsteppe angepasst waren. In was für einem Klima hat das Karibu dort oben gelebt? Wie lange sind die Pflanzen dort gewachsen?

Prof. R. D. Guthrie hat über die Mammutfauna in NW Nordamerika dies herausgefunden: „Schafe, Bisons, Karibu und andere Wiederkäuer der Mammutsteppe waren Riesen.“ (1990:264).

„Man sollte erwarten, dass die Rentiere (Rangifer), Moschusochsen (Ovibos) und Elche (Alces) größer wurden, als sie sich im Holozän ausbreiteten und die nördliche Huftierfauna beherrschten. Wahrscheinlich sind die Karibu, Moschusochsen und Elche zahlreicher geworden, als es feuchter wurde und als es dann mehr Sträucher und Tundra-Vegetation gab. Ich fand heraus, dass die Exemplare dieser drei Arten im Pleistozän Alaskas im Durchschnitt größer waren, als die lebenden Exemplare. (Die Unterarten Alaskas sind die größten Formen der heutigen Spezies.)

„In Alaska ist das Sommerfutter für Karibu, Moschusochsen, und Elches jetzt reichlich vorhanden und ist nahrhaft. Doch ihre pleistozänen Vorfahren waren noch größer als die heutigen. Wie kann das sein? Wir kennen keine pflanzlichen Quellen, durch die sich die Qualität des Sommerfutters im Pleistozän sehr erhöht hätte. Der einzige Weg zu einer großen Körpergröße besteht offensichtlich darin, die Zeit auszudehnen, in der es gutes Futter gibt.

„Es gibt zwei Karibu-Mittelfußnochen von den Adak Inseln (Aleuten Inseln), welche länger sind als die fossilen Mittelfußknochen. Das Adak Karibu stammt ursprünglich von der Nelchina Herde in Mittel-Alaska. Und sie sind auf diesem jungfräulichen Gebiet, mit seinem Küstenklima, wo die Pflanzen lange wachsen, sehr groß geworden. Ein erwachsener Bulle wog 700 Pfund (320 kg). Er ist doppelt so schwer wie die gesunden Bullen von den meisten anderen Beständen [im Inner Alaskas].

„Die Karibu-Fossilien, die ich verglich, stammen aus dem Fairbanks Gebiet. Man hat sie am Anfang dieses Jahrhunderts gesammelt, als man das Waschgold abbaute. Sie stammen hauptsächlich aus dem späten Pleistozän (spätes Rancholabrean).“ (1984:495, 498).

Ergebnis

Wir haben herausgefunden: Die Karibu auf der Mammutsteppe Mittel-Alaskas waren Riesen. Das spätpleistozäne Karibu Alaskas war im Durchschnitt größer, als seine heute lebenden Verwandten in Alaska. Sie konnten damals so groß werden, weil die Pflanzen damals viel länger gewachsen sind als heute. – Wie schwer ist das spätpleistozäne Karibu gewesen, das auf der Mammutsteppe Mittel-Alaskas gelebt hat?

Ein erwachsener Karibu-Bulle auf Adak Insel (Aleuten Inseln) wog 320 kg. Das ist doppelt so viel, wie gesunde Bullen in Mittel-Alaska jetzt wiegen. Die spätpleistozänen Karibu-Fossilien stammen aus der dicken Schicht gefrorenen Schlickes (Silt), die den goldhaltigen Kies alter Flussbetten bedeckt, Guthrie, R. D. (1984, 1990). – Im südlichen Neufundland (SE- Kanada), wiegen Karibu-Bullen vor der Brunftzeit bis zu 340 kg (Geist, V. et al. 1988:243).

Wie viel wiegt das Karibu Mittel-Alaskas jetzt? Was ist sein durchschnittliches und sein größtes Körpergewicht? Wie schwer ist Mittel-Alaskas Karibu im späten Pleistozän gewesen, als es dort zusammen mit dem Mammut graste? Was war sein durchschnittliches und sein größtes Körpergewicht?

Der erwachsene Karibu Bulle in Mittel-Alaska wiegt jetzt 181-272 kg. Und die erwachsene Karibu Kuh wiegt 91-136 kg, Bergerud, A. T. (1978). Das durchschnittliche Körpergewicht des erwachsenen Karibu Bullen in Mittel-Alaska ist jetzt etwa 226.5 kg. Und sein größtes Körpergewicht ist 272 kg. Das durchschnittliche Körpergewicht der erwachsenen Karibu Kuh in Mittel-Alaska ist jetzt etwa 113.5 kg. Und ihr größtes Körpergewicht ist 136 kg. Der erwachsenes Karibu Bulle Mittelalaskas ist 50,11% oder 1,99mal schwerer, als das weibliche Tier.

Kanadas erwachsener Karibu Bulle in den Barren Grounds (nordamerikanische Tundra) hat ein durchschnittliches Körpergewicht von 106,82 kg. Und seine durchschnittliche Schulterhöhe ist 1120,55 mm. Kanadas durchschnittliche erwachsene Karibu Kuh auf den Barren Grounds wiegt 74,52 kg. Sie hat eine Schulterhöhe von 1050,9 mm, berechnet von J. P. Kelsall (1968) App. V, VI. Die durchschnittliche Schulterhöhe von Kanadas erwachsenem Karibu Bullen auf den Barren Grounds ist 6,29% größer, als die der Karibu Kuh. Und das erwachsene Männchen wiegt 30,24% mehr als das Weibchen.

Das fossile Material des Karibus Mittel-Alaskas (vom Fairbanks Gebiet) ist durchschnittlich 11,3% größer, als das des lebenden Karibus Mittel-Alaskas. Berechnet von den Backenzähnen M1, M2, und M3 (Guthrie, 1984:498, Tabelle 1). Die Füße des spätpleistozänen Karibu in Alaska scheinen nur so groß gewesen zu sein, wie die des heutigen Karibu. Aber es war viel schwerer. Die relativ kleinen Hufe vom Karibu der Mammutsteppe beweisen, dass es der harten, ebenen Oberfläche der zonalen Steppe und Waldsteppe angepasst war, und nicht der sumpfigen Oberfläche der heutigen arktischen Tundra, mit ihren vielen mit Seggen bewachsenen, gefrorenen „Erdköpfen“(muskeg).

Die Schulterhöhe des spätpleistozänen Karibus Mittel-Alaskas war 11,3% größer, als das des heute lebenden Karibus Mittel-Alaskas. Das ist 1,7965mal größer. Sein Körpergewicht war dann 54,326% größer.

Das durchschnittliche Körpergewicht des lebenden Karibu Bullen Mittel-Alaskas beträgt jetzt 226,5 kg. Plus 54,326% (123,05 kg) = 349,55 kg. Das bedeutet: Das durchschnittliche Körpergewicht des spätpleistozänen Karibu Bullen Mittel-Alaskas (bei Fairbanks) ist dann 350 kg gewesen.

Das größte Körpergewicht des lebenden erwachsenen Karibu Bullen Mittel-Alaskas ist jetzt 1,198238mal größer, als sein durchschnittliches Körpergewicht. Das größte Körpergewicht des erwachsenen Karibu-Bullen Mittel-Alaskas, das auf der Mammutsteppe grast hat, muss dann 419,76 kg gewesen sein. Aufgerundet: 420 kg. Das bedeutet: Der größte Karibubulle im spätpleistozänen Mittel-Alaska, der dort zusammen mit dem Mammut, dem Steppenbison, und dem Wildpferd graste, hat bis zu 420 kg gewogen.

Die Karibu Kuh Mittel-Alaskas wiegt jetzt etwa 113,5 kg. Im späten Pleistozän, als sie auf der Mammutsteppe Mittel-Alaskas graste, wog sie etwa 54,326% (61,66 kg) mehr = 175,16 kg. Das war ihr durchschnittliches Körpergewicht. Ihr größtes Körpergewicht war dann 1,19882mal größer. Sie wog dann 210 kg.

Der schwerste Karibu Bulle auf der Adak Insel (Aleuten Inseln) wog 320 kg. Das ist nahe am größten Körpergewicht, das man in diesem Bestand antrifft. Die meisten anderen Karibu auf diesen Aleuten Inseln wiegen weniger. – Auf dem südlichen Neufundland (SE-Kanada), erreicht der größte Karibu Bulle jetzt ein Körpergewicht von 340 kg. – In was für einem Klima kann das Karibu dort so groß und so schwer werden?

Adak Insel

Auf der Adak Insel (Aleuten Inseln), wog der größte erwachsene Karibu Bulle 320 kg. In was für einem Klima konnte dieser Hirsch dort so groß wachsen? Die Adak Insel liegt bei 51°N, 177°W. Das ist auf der Breite von London, England, und Frankfurt am Main, Westdeutschland. 10°C mittlere Julitemp., 8°C mittlere jährliche. Lufttemp. Kein Permafrost. 150 Tage über 5°C. 5 Monate lange Wachstumsperiode der Pflanzen. 400 mm potentielle Evapotranspiration (PE). 30 kcal cm² mittlere jährliche. netto Strahlung an Erdoberfläche.

Südliches Neufundland

Das südliche Neufundland, in SE Kanada, liegt bei 48°N, 51-55°W. Der Karibu Bulle erreicht dort vor der Brunftzeit ein Körpergewicht von bis zu 340 kg. 48°N liegt auf der Breite von Paris, Frankreich, und Stuttgart, SW Deutschland. 4,7°C mittlere jährliche. Lufttemperatur. Kein Permafrost. 15°C mittlere Juli Temperatur. 35 kcal. cm² mittlere jährliche netto Strahlung an Erdoberfläche. 150 Tage über 5°C. 5 Monate lange Wachstumszeit der Pflanzen. 90 Tage über 10°C. 450 mm PE. 1250° Temperatursumme mit Tagen über 10°C.

Ergebnis

In solch einem Klima kann das Karibu jetzt ein Körpergewicht von 320-340 kg erreichen. Die Wachstumsperiode der Pflanzen ist dort 5 Monate lang. Und es gibt dort keinen Permafrost. Als das Mammut in Mittel-Alaska auf zonaler Steppe und Waldsteppe graste, wog der erwachsene Karibubulle durchschnittlich 350 kg. Und sein größtes Körpergewicht betrug dann bis zu 420 kg. Mittel-Alaska muss deshalb dann viel wärmer und milder gewesen sein, als es jetzt auf den Aleuten Inseln und auf Neufundland ist. Es hat dort dann keinen Permafrost gegeben, kein Eis und keinen Schnee und keinen arktischen Winter. Die Wachstumsperiode der Pflanzen muss dann etwa 7-9 Monate lang gewesen sein. Sonst hätte dieser Hirsch dort oben dann nicht so groß und so schwer werden können. In einem arktischen Klima ist das nicht möglich.

 

Links: Das kleinere Karibu, das jetzt in Alaska lebt. Rechts: Das viel größere Karibu, das im spätpleistozänen Alaska gelebt hat, als das Mammut dort graste. Professor R. D. Guthrie (1990:265) hat dies gezeichnet. Das heutige Alaska-Karibu ist nur eine verkümmerte Form des pleistozänen Karibus. Es konnte damals so groß werden, weil die Zeit, in der die Pflanzen wachsen konnten, viel länger gewesen ist als heute.

 

Weidegebiet von Rentier, Elefant und Nashorn

Wie viel Futter enthält die Weide des Rentieres im Sommer und im Winter? Wie viel oberirdische Trockenmasse und verdauliches Roheiweiß enthält sie in den verschiedenen Zeiten des Jahres? Hätten das Mammut und das Nashorn genug dort zu fressen gefunden? - Professor Eliel Steen, Institut für Pflanzen-Landwirtschaft, in Uppsala, Schweden, und sein Team, haben mehrere Jahre lang das Futter auf der Rentierweide Skandinaviens untersucht. Sie haben ihre Ergebnisse im Jahr 1968 veröffentlicht:

Im August ist die oberirdische Trockenmasse auf Skandinaviens Rentierweide auf ihrem Höhepunkt. Sie enthält dann durchschnittlich 74,683 g DM/m², 7,866% DCP = 5,875 g DCP/m². Von Anfang Dezember bis Ende April enthält Skandinaviens Rentierweide nur 13,164 g DM/m², 2,468% DCP und 0,325 g DCP/m² im Monat.

Der Elefant und das Weiße Nashorn haben einen sehr ähnlichen Nahrungsbedarf. Der Afrikanische Elefant kann noch leben, wo es 300 mm Regen im Jahr gibt. Dieser 300 mm Regen erzeugt 255,33 g DM/m² und 21,703 g Roheiweiß (CP) bei 8,5% CP im Jahr. Wenn er 40% dieses Roheiweißes verdaut, enthält dieses Futter 8,681 g DCP/m². Diese oberirdische Trockenmasse und dieses Roheiweiß wächst in Afrika Monat für Monat, in mindestens 8 nassen Monaten des Jahres. Auf Skandinaviens Rentierweide wachsen die Pflanzen nur 3 Monate im Jahr.

Der Elefant in Tsavo Ost N. Park, Kenia, verhungerte während der großen Trockenheit von 1970-71. Nur 200 g/m² oberirdische trockene Pflanzenmasse ist dort im Jahr gewachsen. Skandinaviens Rentierweide erzeugt nur 74,683 g DM/m². Das ist 2,68mal weniger, als die Menge, bei der der Elefant und das Schwarze Nashorn mit vollem Magen verhungert sind. Das allein schon beweist eindeutig, dass der Elefant und das Nashorn nicht im Hohen Norden grasen konnten, wie das Rentier heute.

Wie sich die Qualität des Rentierfutters im arktischen und subarktischen Europa (nördliches Norwegen, Schweden, Finnland) verändert (ungefähres Diagramm). Nach E. Steen (1968:128) Bild 2. Die durchgehende Linie zeigt uns, wie viele Prozent Roheiweiß die Trockenmasse enthält. Anders ausgedrückt: Sie zeigt uns, wie viel Eiweiß die skandinavische Rentierweide im kurzen Sommer und im langen Winter enthält. Das Mammut wäre dort verhungert, an Eiweiß- und Energiemangel eingegangen. Und zwar etwa am 12. Februar, nach 4,5 Monaten, vom 1. Oktober an gerechnet. Das beweist quantitativ, dass das Wollhaar-Mammut nicht in einem arktischen Klima leben konnte, wie das Rentier und das Karibu heute. Dieser Dickhäuter wäre dort in ein paar Monaten elendig verhungert.

 

Rentier/Karibu Erhaltung

Wie viel muss Eurasiens Rentier und Nordamerikas einheimisches Karibu am Tag fressen, um sein Körpergewicht im Winter zu halten? Wie viel metabolische Energie (ME) und verdauliches Roheiweiß (DCP) brauchen sie je Kilogramm Stoffwechselgewicht (kg 0.75) am Tag?

E. H. McEwan und P. E. Whitehead, Kanadischer Wildlife Service, Universität von Britisch Kolumbien, Vancouver, B.C., berichten in der kanadischen Zeitschrift Journal of Zoology, Bd. 48, Sept. 1970, unter der Überschrift „Saisonbedingte Änderungen in der Energie- und der Stickstoff-Aufnahme in Rentier und Karibu“:

Verdaulicher Stickstoff erfordert für N [Stickstoff] Gleichgewicht = 0,462 g N/kg0.75 Tag. 0,462 g verdaul. N x 6,25 = 2,8875 g DCP/kg0.75 Tag. Das 70-kg Rentier/Karibu braucht bei Winter-Erhaltung 5,5 Mcal ME/Tag. Das bedeutet: Bei einem Körpergewicht von 70 kg braucht das Rentier/Karibu 227 kcal ME/kg0.75 am Tag, um sein Körpergewicht zu halten.

Robert G. White, Professor für Zoophysiologie und Ernährung, Universität von Alaska, bei Fairbanks, schrieb mir am 4. Juni 1982: DCP Erhaltung für Rentier/Karibu = 0,46 N x 6,25 = 2,88 g DCP/kg0.75 Tag.

Die nicht-laktierende Elefantenkuh Jap, die F. G. Benedict (1936) untersucht hat, braucht 3,228 g DCP/kg0.75 Tag und 144 kcal ME/kg0.75 Tag, um ihr Körpergewicht zu halten.

Wie viel muss das erwachsene Weiße Nashorn (Ceratotherium simum) fressen, um sein Körpergewicht zu halten? D. L. Frape und Mitarbeiter (1982) haben zwei erwachsene Weiße Nashörner untersucht. Sie waren bei Erhaltung bei 716 kJ DE/kg0.75 (= 171,052 kcal DE/kg0.75 Tag). Bei DE x 0,78 = ME, das ist 129 kcal ME/kg0.75 Tag für Erhaltung des erwachsenen Weißen Nashornes.

Von D. L. Frapes Ergebnissen (DM Aufnahme, CP Inhalt, und CP Verdaulichkeit) fand ich dann heraus, wie viel verdauliches Roheiweiß das erwachsene Weiße Nashorn am Tag braucht, um sein Körpergewicht zu halten. Es ist 2,657 g DCP/kg0.75 Tag. Das ist etwas weniger, als das des indischen Elefanten.

 

Rentier, Elefant und Nashorn

Befürworter der modernen Eiszeit-Hypothese behaupten: Das Mammut und Fellnashorn haben zusammen mit dem Rentier während des Letzten Eiszeit in einem strengen arktischen Klima gelebt. Es war dann viel kälter, als es jetzt in NE Sibirien ist. Die Knochen des Rentieres hat man zusammen mit denen des Mammuts und des Fellnashorns gefunden. Das beweist eindeutig, dass sie im Hohen Norden auf arktischer Tundra und Polarwüste gegrast haben, so wie das Rentier heute. Arktische Tiere beweisen ein arktisches Klima! – Ist das wahr? - Wenn ja, müssen wir uns jetzt fragen:

Wie viel mussten das Mammut und das Fellnashorn jeden Tag gefressen? Wie viel verdauliches Roheiweiß (DCP) und metabolische Energie (ME) mussten sie dann jeden Tag auf der arktischen Tundra oder Steppentundra aufnehmen, wenn sie dort oben grasten, so wie das Rentier heute? Der Elefant und das Nashorn wiederkäuen ihr Futter nicht, wie das Rentier. Deshalb können sie auch länger grasen. Wie viel mehr verdauliches Roheiweiß muss der 3.000-kg erwachsene Elefant dann jeden Tag aufnehmen, als das 80 kg erwachsene Rentier? Wie viel mehr muss der 5.000-kg erwachsene Elefant am Tag fressen, als das 80 kg Rentier? Und wie viel mehr muss der 10.000-kg Elefant am Tag fressen, als das Rentier?

Der 3.000-kg erwachsene Elefant muss dann soviel verdauliches Roheiweiß am Tag aufnehmen, wie 16,9 erwachsene Rentiere, von denen jedes 80 kg wiegt. Und der 3.000-kg erwachsene Elefant muss dann soviel metabolische Energie aufzunehmen, wie 9,6 Rentiere, zu je 80 kg. Es ist recht zweifelhaft, ob der Elefant überhaupt soviel Futter (DCP, ME) am Tag aufnehmen könnte, wie ein einziges Rentier, ohne die spärliche, empfindliche Pflanzendecke der arktischen Tundra oder Steppentundra auf Jahre hinaus zu ruinieren.

Der 5.000-kg erwachsene Elefant muss dann soviel verdauliches Roheiweiß am Tag aufnehmen, wie eine Herde von 24,8 Rentieren, zu je 80 kg. Dieser Riese muss dann soviel metabolische Energie am Tag fressen, wie 14,1 Rentiere.

Der 10.000-kg erwachsene Elefant muss am Tag, wenn er in der arktischen Tundra oder Steppentundra grast, soviel verdauliches rohes Protein verzehren, wie 41,8 Rentiere, zu je 80 kg, und soviel metabolische Energie, wie 23,7 Rentiere.

Das beweist mir eindeutig: Das Mammut konnte nicht in einem arktischen oder subarktischen Klima leben, so wie das Rentier heute. Dieser Riese hätte auf der arktischen Tundra, Steppentundra oder irgendeiner anderen Art arktischer Pflanzendecke nicht genug zu fressen gefunden. Es gibt dort zu wenig Futter. Die Ansicht, das Mammut sei einem strengen arktischen Klima angepasst gewesen, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Meine neuen Forschungsergebnisse haben das jetzt quantitativ bewiesen.

Rentier und Nashorn

Hätte Eurasiens spätpleistozänes Fellnashorn in der arktischen Tundra oder Steppentundra leben können, so wie das Rentier heute? Hätte es dort genug zu fressen gefunden? Wie viel mehr musste das Fellnashorn fressen, als das Rentier?

Das erwachsene Fellnashorn hat gewöhnlich eine Schulterhöhe von etwa 1,6 m. Ein lebendes Nashorn, mit einer Schulterhöhe von 1,6 m, wiegt jetzt 1,1 bis 1,5 Tonnen. Wie viel Futter (DCP, ME) muss das Fellnashorn dann am Tag verzehren, wenn es auf der arktischen Tundra oder Tundrasteppe so grast, wie das Rentier heute?

Das 1.100 kg erwachsene Nashorn (und Fellnashorn) muss dann eben soviel verdauliches Roheiweiß am Tag aufnehmen, wie 6,5 Rentiere, zu je 80 kg. Und es musste dann soviel metabolische Energie fressen, wie 4,6 Rentiere.

Das 1.500 kg erwachsene Weiße Nashorn (und Fellnashorn) musste dann soviel verdauliches Roheiweiß aufnehmen, wenn es auf der arktischen Tundra grast, wie 8,3 Rentiere, zu je 80 kg. Und es musste dann soviel metabolische Energie am Tag fressen, wie 5,8 Rentiere.

Das Weiße Nashorn grast systematisch, wie ein Rasenmäher. Das Rentier/Karibu dagegen durchzieht jeden Tag einen großen Teil seines Gebietes. Und es frisst dann überall nur ein bisschen. Es knabbert ein bisschen hier und ein bisschen dort, und sucht sich die nahrhaftesten Teile der essbaren Pflanzen. Viele Pflanzen der Tundra sind für die Huftiere giftig. Sie können sie nicht fressen, wie Prof. R. D. Guthrie festgestellt hat.

Auch dort, wo es viele essbare Pflanzen in der arktischen Tundra gibt, kann das Rentier nicht systematisch grasen, wie das Weiße Nashorn. Es kann dort nicht „wie ein Rasenmäher“ grasen. Weil die Pflanzendecke der arktischen Tundra und Tundrasteppe zu spärlich ist. Sie ist zu empfindlich. Sie könnte dieses systematische Grasen nicht ertragen. Das Nashorn würde die empfindliche arktische Pflanzendecke auf Jahre hinaus verwüsten.

Deshalb kann das Weiße Nashorn (und Mammut) auf der arktischen Pflanzendecke am Tag nicht einmal soviel Futter aufnehmen, wie ein einziges erwachsenes Rentier. Das ist im Sommer. Im Winter ist der Hohe Norden mit hartem, verwehtem (gedriftetem) Schnee bedeckt. Dieser gedriftete Schnee bedeckt dann die fruchtbarsten Stellen in den Senken. Im Winter wäre es daher noch schlechter. Auch die angebliche Anpassung des Fellnashorns an ein strenges arktisches Klima entbehrt daher jeder wissenschaftlichen Grundlage. Das ist nur Science-Fiction.

 

Zwei große Alaska Karibu-Bullen im Herbst in der Brunftzeit. Doug Lindstrand (1981:95) hat sie gemalt. Das Rentier des Hohen Nordens ist jetzt der arktischen Tundra und Waldtundra angepasst, mit ihrer sumpfigen, mit gefrorenen Erdhügeln bedeckten Oberfläche, die auf Dauerfrostboden wächst. Das Rentier/Karibu aus der Zeit des Wollhaar-Mammuts war der Steppe und Waldsteppe angepasst. Es hat damals harte Steppengräser gefressen, nicht weiche Pflanzen, wie sie heute in der Tundra wachsen.

Das beweist uns auch die Art und Weise, wie ihre Zähne gebaut sind. Diese spätpleistozäne Steppe ist in einem milden, gemäßigten Klima gewachsen, ohne Permafrost, ohne Eis und Schnee. Die arktische Tundra, Waldtundra und Taiga, wie wir sie heute kennen, hat es damals noch gar nicht gegeben. Die haben sich dort erst viel später ausgebreitet: in der Holozän-Zeit.

 

Skandinaviens Rentier-Weide

Professor Eliel Steen, Institut für Pflanzen-Landwirtschaft, in Uppsala, Schweden, hat mehrere Jahre mit seinem Team von Botanikern die Pflanzendecke auf der Weide des Rentieres in den verschiedenen Jahreszeiten untersucht. Sie haben in Europas arktischen und subarktischen Zonen gearbeitet: in Norwegen, Schweden und Finnland. In seinem Bericht, „Einige Aspekte der Ernährung halbzahmer Rentiere“ (1968:121) Abb. 2, gibt Professor Eliel Steen auch den Prozentsatz vom Roheiweiß an, das in der trockenen Pflanzenmasse auf Nordeuropas Rentierweide in den verschiedenen Monaten des Jahres enthalten ist (durchgehende Linie). Er sagt auch: Während etwa 250 Tagen des Jahres ist die Vegetation fast ganz ausgedörrt.

Die Vegetation auf Skandinaviens Rentierweide „ist fast ganz ausgedörrt“ während etwa 250 Tagen des Jahres. Deshalb müssen wir uns fragen: wie viel Roheiweiß (Trockengewicht) enthält sie dann im Winter? Wie viel Protein enthält die oberirdische Vegetation von Anfang Oktober bis Ende April? Wie lange könnte der 3-t erwachsene Elefant dann auf Nordeuropas Rentierweide im Winter leben?

Wir fanden schon heraus: Von Anfang Dezember bis Ende April enthält Skandinaviens Rentierweide nur 13,164 g DM/m², 2,468% DCP und 0,325 g DCP/Monat (Trockengew.) im Monat. Wie viel von diesem Roheiweiß kann der Elefant verdauen? Wir wollen es hier dem armen Mammut so leicht wie möglich machen, wenn es im Winter auf Skandinaviens Rentierweide grast. Deshalb nehme ich hier, entgegen allen Beweisen, an, dass dieser Dickhäuter eben so viel Trockenmasse (Futter) aufnehmen kann, wie er in seinem normalen Heimatgebiet braucht. Deshalb wollen wir uns jetzt hier nicht mit dem verdaulichen Roheiweiß befassen, das der Elefant dort aufnimmt. Wie lange würde der 3-t erwachsene Elefant dann in Nordeuropa im Winter leben, wenn er dort so wie das Rentier grast? Die folgende Tabelle wird uns helfen, die Antwort zu finden.

 

3.000-kg erwachsener Elefant auf Skandinaviens Rentierweide im Winter

Monat: Die Tabelle beginnt am 1. September. Und sie endet am 30. April.

%CP: Im September enthält Skandinaviens Rentierweide noch 8,642% Roheiweiß (Trockengew.). Im November enthält sie nur 4,321% CP. Und von Januar bis April hat sie nur 3,025% CP

%DCP: Der Elefant grast im Winter auf Nordeuropas Rentierweide. Im September enthält ihr Futter 5,7% verdauliches Roheiweiß (DCP). Der Elefant kann dann etwa 66,0% dieses Roheiweißes verdauen. Wenn er Futter frisst, das nur 2,0% CP (oder mehr) enthält, kann der Dickhäuter es nicht mehr verdauen. Die Mikroflora im Verdauungskanal des Elefanten verhungert dann, weil das Futter des Elefanten zu viele Fasern und zu wenig Protein enthält. Der Elefant verhungert dann mit vollem Magen. Im November enthält Skandinaviens Rentierweide 4,321% CP. Das Futter des Elefanten enthält dann 1,102% DCP (Trockengew.). Er verdaut dann nur 25,5% dieses Roheiweißes. Von Januar bis April enthält das Futter des Elefanten, mit seinem 3,025% Roheiweiß (Trockengew.), nur noch 0,302% DCP. Er verdaut dann nur 10% dieses Roheiweißes.

DCPI g/Tag: Die erwachsene Indische Elefantenkuh Jap brauchte 3,228 g DCP/kg0.75 Tag für Erhaltung. Und sie verzehrte dann 97,284 g Trockenmasse (DM)/kg0.75) am Tag. Im September, wenn noch bei Erhaltung, nimmt der 3.000-kg erwachsene Elefant dann 1.308 g DCP/Tag auf. Aber von Januar bis April wird der Riese dann nur 119 g DCP/Tag aufnehmen. Wir nehmen hier an, entgegen den Tatsachen: Der Elefant verzehrt hier soviel Trockenmasse, wie er für Erhaltung braucht. In Wirklichkeit gibt es auf Skandinaviens Rentierweide im Winter auch viel zu wenig Trockenmasse.

DCPI g/Monat: Im September, wenn noch bei Erhaltung, nimmt der 3-t Elefant dann 39.255 g DCP (Trockengew.) auf. Aber im Januar nimmt er nur 3.692 g DCP auf.

DCPI g/Monat gebraucht: Im September braucht und bekommt der 3-t erwachsene Elefant noch 39.255 g DCP.

DCPI Defizit g/Monat: Im Oktober hat der 3-t erwachsene Elefant 9.622 g DCP zu wenig aufgenommen, unter seinem Erhaltungsniveau. Aber im Januar, Februar und März nimmt dieses Tier 36.871 g DCP zu wenig auf. Das heißt, wenn es dort so lange leben könnte.

DCPI Defizit und Tod: Von Anfang Oktober erhöht sich der DCP Fehlbetrag des Elefanten immer mehr. Am 12. Februar, seit dem 1. September, nach etwa 4,5 Monaten, hat der DCP Fehlbetrag des Elefanten die tödliche Menge von 123.845 g DCP (Trockengew.) erreicht. Das ist 4,128% seines Körpergewichtes. Der Riese verhungert dann auf Skandinaviens Rentierweide mit vollem Magen, weil er zu wenig verdauliches Roheiweiß bekam.

In diesem Modell habe ich angenommen, dass der 3-t Elefant soviel trockene Pflanzenmasse aufnehmen kann, wie er für Erhaltung braucht. Er braucht dann 97,284 g DM/kg0.75 am Tag. In Wirklichkeit würde er dort im Winter überhaupt nicht genug Trockenmasse finden. Deshalb wäre das Rüsseltier auf Skandinaviens Rentierweide schon viel früher verhungert. Das beweist mir eindeutig: Weder der lebende Elefant, noch das ausgestorbene Mammut könnte im Hohen Norden leben, wie das Rentier heute. Das Mammut und das Fellnashorn waren nicht dem arktischen Klima angepasst. Sie konnten nicht in Eis und Schnee leben, wie das Rentier heute.

Ein großer Alaska-Karibubulle in der Brunftzeit. Doug Lindstrand (1981:95) hat ihn gemalt. Im spätpleistozänen Alaska, als das Mammut dort oben graste, war das Karibu viel größer und schwerer als heute. Das beweisen seine Skelettüberreste. Das Alaska-Karibu konnte damals so groß werden, weil die Zeit, in der die Pflanzen wuchsen, viel länger gewesen ist als heute (Guthrie, R. D. 1984, 1990). Das große Karibu der Mammut-Steppe hat im Hohen Norden vor der weltweiten Sintflut der Tage Noahs gelebt. Das Klima war dann dort oben viel milder, ohne arktischen Winter.

 

Bergmanns Regel

Jemand mag jetzt einwenden und sagen: Das Bergschaf, das Karibu und der Moschusochse im spätpleistozänen Yukon/Alaska sind viel größer und schwerer gewesen, als ihre Verwandten, die heute dort oben leben, weil es damals im Hohen Norden viel kälter gewesen ist als jetzt, nicht wärmer! Je weiter im Norden das Säugetier lebt und je kälter es ist, um so größer und schwerer wird es dann sein. Das hat man jetzt wissenschaftlich durch die Bergmannsche Regel bewiesen.

Das ist ein wichtiger Einwand. Ist er stichhaltig? Ist die Bergmannsche Regel wahr? Hat man sie wissenschaftlich bewiesen? – Valerius Geist, Professor für Biologie an der Universität von Calgary, Alberta, West-Kanada, hat die Bergmannsche Regel kritisch untersucht. Er berichtet über seine Ergebnisse unter der Überschrift „Bergmanns Regel ist ungültig“, im Canadian Journal of Zoology (1987:1035):

„Bergmanns Regel behauptet, dass bei Warmblütern (homeotherms) die Körpergröße um so mehr zunimmt, je kälter es ist. Je weiter im Norden sie leben, um so größer werden sie. Das stimmt nicht, und auch die Erklärung dieser Regel stimmt nicht. In großen Säugetieren nimmt die Körpergröße zuerst zu, je weiter sie im Norden leben. Aber zwischen 53 und 65°N werden sie dann wieder kleiner. Kleine Körpergrößen kommen dann in den niedrigeren und höheren Breiten vor. Das sagt die Hypothese vorher, die besagt, dass Körpergröße davon abhängt, wie lange dort die Pflanzen wachsen. Die Körpergröße hängt dann davon ab, wie viele Nährstoffe und wie viel Energie während des Wachstums vorhanden sind. Die Wechselbeziehungen zwischen Körpergröße und Temperatur haben sich als falsch erwiesen. Wenn man die relative Oberfläche verkleinern muss, um Wärme zu bewahren, dann sollte die Größe der Säugetiere von Süden nach Norden hin doppelt so viel zunehmen, wie sie das tut. Bergmanns Regel hat keine Grundlage in Tatsache oder Theorie.“

„Ich werde meine Stimme gegen diese Ansicht erheben. Und ich hoffe, zu zeigen, dass Bergmanns Regel keine Tatsache, sondern Fiktion ist, wie es auch alle Erklärungen dieser Regel dann sein müssen. Die klassische Erklärung, die Bergmann vertritt, und die man allgemein anerkennt, lautet: Große Größe ist in kalten Umgebungen adaptiv, weil die Oberfläche im Verhältnis zur Masse um 2/3 kleiner wird. Große Säugetiere verlieren deshalb weniger Wärme, im Verhältnis zu ihrer Masse. Und große Größe in kalten Umgebungen hilft, Energie zu sparen. Die klassische Erklärung erlaubt präzise quantitative Voraussagen, die man überprüfen kann. Diese Prüfungen zeigten, dass Bergmanns Regel unhaltbar ist, (kann man nicht verteidigen).

„Der Trend zu größerer Größe kehrt sich zwischen 60 und 65°N Parallele um. Beim Bergschaf tritt diese Umkehrung in den niedrigeren Breiten, zwischen 48 und 53°N auf. Dort findet man das größte Schaf (Cowan 1940). Diese Zahlen bestätigen McNabs (1971) Schluss. Er sagte: Die Behauptung, dass die Körpergröße zunimmt, je kälter es wird, ist nicht haltbar.

"Nördlich von 60-65°N sind die verschiedenen großen Landsäugetiere wieder kleiner. Dazu gehören Rangifer, Ovis dalli, O. nivicola, Ovibos, Ursus arctos, Alopex lagopus und Canis lupus. Das positive Verhältnis zwischen Körpergröße und Breite, das es gibt, erweist sich als falsch. Das kommt daher, weil die meisten großen Arten der Säugetiere südlich des 60. nördlichen Breitengrades leben. Der Wapiti (Cervus elaphus canadensis), Weißwedelhirsch (Odocioileus virginianus) und Schwarzwedelhirsch (Odocoileus hemionus) entsprechen der Bergmannschen Regel, weil sie nicht nördlich von 62°N leben. Moschusochsen, Dallschaf, Schneeschaf, Karibu oder Grislybären sind ‚Ausnahmen‘ dieser Regel, weil sie nördlich von 60°N leben.

„Die Hypothese, dass die Körpergröße der Dauer des jährlichen Pflanzenwuchses entspricht, scheint gültig zu sein. Es gibt dafür stichhaltige Gründe: Die Körpergröße scheint davon abzuhängen, wie lange das wachsende Tier unbehinderten Zugang zu Futter von höchster Qualität hat. Huftiere, die den Pflanzen folgen, die im Laufe des Sommers am Berghang wachsen, sollten daher um so größer sein, je größer das Gebiet (zwischen der Baumgrenze und der Schneegrenze) ist, wie das Shackleton (1973) beim Bergschaf erkannt hat.

„Die Abbildung 3 zeigt zum Beispiel, dass ein 12,5 kg unbehaartes Tier bei 20°C (mittlere Januar Temp., Managua, 12°N) überleben kann. Bei einer Temperatur von 0°C (El Paso, Texas, 32°N), müsste das Tier 450 kg wiegen, um zu überleben. Bei –17°C (Calgary, Kanada, 51°N), müsste es dann 3.200 kg wiegen. Und bei –32°C (Yellowknife, Kanada, 62°N), müsste es dann 15.000 kg wiegen. Wenn sich die Temperatur um 20°C verringert, muss sich die Körpermasse 36fach vergrößern. Wenn sich die Temperatur um 52°C verringert, muss sich die Körpermasse 1.200fach vergrößern.

„Weißwedelhirsche vervierfachen ihre Masse von Mittelamerika (12°N) nach Kanada (61°N). Wölfe vergrößern ihre Masse um weniger als das doppelte, von Mexiko nach Alaska. Die empirischen Tatsachen und Voraussagen der Bergmannschen Regel weichen davon um mehrere Größenordnungen ab. Die kleine Zunahme in der Größe mit dem Breitengrad, die man gelegentlich beobachtet, beweist die Bergmannsche Regel nicht eindeutig.“ Geist, V., (1987:1037).

„Die klassische Erklärung der Bergmannschen Regel versagt bei den Unterschieden zwischen den relativen und den absoluten Werten, wie McNab (1971) das betont hat. Man kann das durch das folgende Beispiel veranschaulichen. Die relative Oberfläche verringert sich von 0,05 m²/kg in einem 12,5-kg Tier, auf 0,1 m²/kg in einem 450-kg Tier. Dadurch spart es dann 4mal soviel Wärme. Dafür muss es dann aber seine absolute Masse um das 36fache vergrößern, und dafür dann seinen Stoffwechsel 14,5fach erhöhen.

„Ein Fell von nur 1 cm Dicke, mit einem Isolationswert von 0,68°C.m².Mcal.24 h.mm, würde die Isolation auf 21,9°C anheben. Und es würde die T[emperatur] für das 12,0-kg Tier auf 12°C senken. Diese T ohne das 1 cm Fell erreicht man bei etwa 65 kg Körpermasse, oder indem man den Stoffwechsel um das 3.4fache verringert. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man auch, wenn man das unbehaarte 2,5-kg Tier um 0,5 Einheiten ‚runder‘ macht.

„Mit einem 2,5-cm dicken Fell könnte das 12,5-kg Tier bei 0°C leben. Haare sind daher der Größenzunahme oder Rundheit als Anpassung an die Kälte unendlich überlegen. Ein Fell macht biometrische Klimate irrelevant, wenn es darum geht, die Wärmeanpassung des Tieres zu erklären (Scholander 1955, 1956; Irving 1957, 1972). (Mit anderen Worten: Wenn ein Tier ein Fell hat, muss es sich nicht vor der Kälte schützen, indem es größer wächst.) Scholander (1956) stellte fest: Verfechter dieser (Bergmannschen) Regel haben die physiologische Auslegung von ökogeographischen Regeln viel zu leichtfertig behandelt. (Mit anderen Worten: Sie glaubten etwas, was falsch war.). Ich schließe daraus, dass es weder eine empirische, noch eine theoretische Grundlage für die Bergmannsche Regel gibt.“ - Geist, V. (1987:1037).