Kapitel 1: Der nördlichste Moschusochse

Wie weit im Norden lebt der Moschusochse jetzt? Wie viel Futter wächst dort? Könnte das Mammut dort oben grasen, wie der Moschusochse heute? Dieses nördlichste Moschusochsen-Gebiet wird uns eindeutig zeigen, wie es dem Mammut ergangen wäre, wenn es versucht hätte, während des Höhepunktes der Letzten Eiszeit auf der Lößsteppe oder Steppentundra am Rand der Inlandeisdecke zu leben.

 

Moschusochsen (Ovibos moschatus). Nach: W. von Koenigswald. In: H. Miller-Beck, Urgeschichte in Baden-Württemberg (1983:201) Bild 103.

 

Moschusochse auf kanadischer Arktischer Insel

Wie kann der Moschusochse dort oben überleben? Wann kann er überleben? Wann wird er umkommen?

D. C. Thomas, F. L. Miller, R. H. Russel, Canadian Wildlife Service, Edmonton, Alberta, und G. R. Parker, Canadian Wildlife Service, Sackville, Neu Braunschweig, berichten in der Zeitschrift Arctic, Band 34, Nr. 1 (März 1981) S. 34-36, unter der Überschrift, „Das Bailey Point Gebiet und andere Moschusochsen Refugien in der kanadischen Arktis: Ein kurzer Rückblick“:

„Der Moschusochse (Ovibos moschatus) ist über große Teile des arktischen Kanada verbreitet. Aber nur an einigen Stellen bleibt seine Bestandsdichte hoch und recht stabil. An diesen Stellen kann der Moschusochse auf den kanadischen Arktischen Inseln am besten überleben. Dort kann der Moschusochse wahrscheinlich auch dann noch überleben, wenn das Wetter besonders schlecht ist. Wenn das Wetter dort im Winter sehr schwankt, steigt und fällt der Bestand. Und an einigen Stellen wird er sogar vernichtet. Solche Refugien für Moschusochsen findet man in der Hohen Arktis im Tiefland im Osten der Axel Heiberg Insel im Mokka Fjord Gebiet, im Tiefland im nordöstlichen Teil der Devon Insel, und am Bailey Point Gebiet auf der Melville Insel. Alle diese Gebiete haben früher von Zeit zu Zeit große Bestände von Moschusochsen ernährt. Aber das Bailey Point Gebiet scheint sich für die Moschusochsen in der kanadischen Hohen Arktis am besten zu eignen. (Bailey Point = auf der Südseite der Melville Insel, nahe 71°N, nördlich der Banks Insel).“ - Thomas, D. C. et al. (1981:34)

„Die Seggen und Gräser nasser Wiesen sind die bevorzugte Nahrung der Moschusochsen im Sommer; im Winter ergänzen sie ihr Futter, indem sie mehr Weiden, Gräser und Seggen auf den ungeschützten Hängen und den Bergrücken fressen (Parker, 1978).

„Die besten Weidegründe unter 200 m über dem Meer in Kanada können etwa 1-2 Moschusochsen/km² im Jahr ernähren, wenn der Winter nicht zu streng ist. Die meisten Gebiete im kanadischen Arktischen Archipel vereisen manchmal und haben eine hohe gepresste Schneeschicht, die den Bestand stark verringern kann. Das macht es so schwierig, genau vorher zu sagen, wie viele Moschusochsen dort in einem bestimmten Gebiet leben können.“ Thomas, D. C. et al. (1981:35)

Warum gedeiht der Moschusochse im Bailey Point Gebiet?

D. C. Thomas et al. (1981:35):

·         Erstens: Die westliche Hohe Arktis hat nur einen geringen Jahresniederschlag (8,5 cm/Jahr) mit durchschnittlichen jährlichen Schneefällen von nur 58 cm bei der nächsten Wetterstation an der Mould Bay auf der Prince Patrick Insel.

·         Zweitens: das umliegende Meer, besonders im Norden, ist meistens das ganze Jahr über mit Eis bedeckt. Und im Winter kommt der Wind dort meistens aus dem Nordosten. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass es dort im Winter regnet oder, dass dort dann der Schnee schmilzt. Und deshalb ist es unwahrscheinlich, dass dort im Winter der Schnee vereist.

·         Drittens: das Gebiet wird gewöhnlich vor dem Wind, der meistens aus dem Nordwesten kommt, durch das Hochland im Innern des Landes geschützt. Und das Tiefland wird durch das Hochland der Halbinsel geschützt, durch beeindruckende Steilhänge, an der Seite, aus der der Wind kommt.

·         Viertens: in diesem Gebiet gibt es produktives Tiefland und fruchtbare Stromtäler, welche die Gletscher abgerundet und mit Geröll bedeckt haben.

„Andere Zentren des Moschusochsen-Bestandes im arktischen Kanada haben ähnliche günstige Bedingungen, wodurch es unwahrscheinlicher wird oder die verhindern, dass die Mosochusochsen dort im Winter umkommen. Das kann geschehen, wenn die Schneedecke hoch und hart ist und lange liegen bleibt oder wenn Eis (vereister Schnee oder Regen) die Pflanzen bedeckt, wenn im Schnee Eisschichten sind oder der Schnee verkrustet ist. Ein Regensturm am Anfang des Winters, zum Beispiel, wonach es dann stark schneit, oder wenn es erst spät Sommer wird: all das kann bewirken, dass der Moschusochse nur schlecht an sein Futter heran kommt, so dass die meisten Moschusochsen dieses Bestandes dann im Winter verhungern. Noch schlimmer wird es, wenn zwei solche schlimmen Winter in drei Jahren aufeinander folgen. Dann haben die Tiere nicht mehr genug Zeit, genug Fettvorräte anzusetzen. Glücklicherweise entstehen diese Verhältnisse in einem bestimmten Gebiet nur alle 10-50 Jahre. Viele Bestände scheinen sich in einem Zustand zu befinden, wo sie sich wieder erholen, nachdem sie plötzlich verringert worden sind.“ - Thomas, D. C. et al. (1981:35, 36)

Nordgrönland

David Klein, U. S. Fish and Wildlife Service, Universität von Alaska, in Fairbanks, und Christian Bay, Botanisches Museum, Universität von Kopenhagen, Dänemark, haben untersucht, wie sich der Moschusochse im Peary Land, in Nordgrönland ernährt. Sie schreiben:

„Moschusochsen Ovibos moschatus im nördlichen Grönland (79-83°N) leben an der Nordgrenze ihres Gebietes. Und sie existieren dort unter jahreszeitlich bedingten Extremen, wo es fast 10 Monate lang Winter ist, wo es dann meistens dunkel ist. Die Pflanzen wachsen dort in knapp zwei Monaten. Im Gebiet von Kap København (82°30´N) gedeihen nur wenige Pflanzenarten (76 Arten von Gefäßpflanzen). Und die Futter-Biomasse in den Weidegebieten beträgt im Sommer über 40 g/m² in von Seggen dominierten Mooren bis zu < 5 g/m² in der Polarwüste. 90-95% des eisfreien Gebietes besteht dort aus unfruchtbarem Boden oder spärlich bewachsener Polarwüste.“ (1990:269).

„Das Gebiet, wo der Moschusochse Ovibos moschatus heimisch ist, reicht von 65°N am Thelon Fluss in den Nordwest-Territorien, in Kanada, bis zu beinahe 84°N im Peary Land, Nordgrönland, dem nördlichsten Gebiet der Welt. Die Pflanzen wachsen in Nordgrönland nur spärlich und stehen weit auseinander, und die Artenvielfalt ist gering. Polarwüste und unfruchtbare Gebiete (ohne Pflanzen) sind weit verbreitet und umfassen >90% des eisfreien Gebietes. Die Stellen, die dichter mit Pflanzen bewachsen sind, liegen nur in den tieferen Gebieten, 0-300 m über dem Meeresspiegel. Auf dem Hochland wachsen nur vereinzelte Fjell-Feld Pflanzen; die Pflanzen bedecken dort nur < 1% des Bodens.“ - Klein, D. R. und C. Bay (1990:269, 273).

Wie viel Futter wächst dort oben? Wir wollen uns jetzt kurz zwei dieser Stellen in Nordgrönland anschauen, die sie untersucht haben: Kap København und Blasø, um das herauszufinden.

 

Kap København (82°30´N, 21°30´W), Nordgrönland

Station Nord, südöstlich von Kap København, 227,3 mm Niederschlag im Jahr. Es liegt 10 km von der Küste entfernt und „ist sehr fruchtbar“. Vom 15. Juli bis 9. August1987 gab es in diesem sehr fruchtbaren Gebiet so viel oberirdische Vegetation:

Weide (Salix arctica) an Hängen: 21,1 g DM/m² im Jahr, bedeckt dort 2,3% des Bodens.

Segge (Carex stans) Moor:

Carex stans 23,0 g DM/m² Jahr, bedeckt 4,9-9,6% des Bodens

Weide 16,5 g DM/m² Jahr bedeckt < 1-11,4% des Bodens

Insgesamt 39,8 g DM/m² Jahr

Polargebiet (Polar barren)

Hauptsächlich Weiden. Insgesamt 5,1 g DM/m² Jahr, bedeckt >1% des Bodens

Blasø (79°37´N, 23°15´W), Nordgrönland

Dicht am Rand der Inlandeisdecke, etwa 70 km von der Küste entfernt. Dies ist wahre Polarwüste, mit geringem Niederschlag, (wahrscheinlich < 100 mm).

Segge (Carex stans) Moor, bedeckt 35% des Bodens, 25,1 g DM/m² Jahr

Polarödland (Polar barren), bedeckt < 1% des Bodens, 12,0 g DM/m² Jahr.

Klein, D. R. und C. Bay (1990:271).

 

Ergebnis

Was zeigt uns dies? - Dies zeigt mir eindeutig, wie viel Futter das Mammut dort gefunden hätte, wenn es versucht hätte, dort während des Höhepunktes der Letzten Vereisung auf der Lößsteppe (oder Steppentundra) am Rand der Inlandeisdecke zu grasen.

An den fruchtbarsten Stellen, auf den Seggenwiesen, wären etwa 23,0 g DM/m² gewachsen. Aber die hätten nur 7,25% des Bodens gedeckt, der nicht mit Eis bedeckt war. Zwergweiden hätten dann 5,5% des eisfreien Bodens bedeckt. Sie erzeugen dort nur 16,5 g DM/m² im Jahr. Aber dort hätte der Niederschlag im Jahr dann 227 mm betragen müssen. Auf dem Höhepunkt der Letzten Vereisung wäre der Niederschlag im Jahr aber nicht einmal halb so hoch gewesen.

Viele der führenden Eiszeitexperten der Welt sind davon überzeugt, dass während des Höhepunktes der Letzten Vereisung der jährliche Niederschlag sehr niedrig gewesen sein muss: nur etwa 90-100 mm im Jahr. Das sehe ich auch so. Aber bei diesem niedrigen jährlichen Niederschlag könnte nur Polarwüste am Rand der kontinentalen Inlandeisdecke gewachsen sein. Blasø, bei 79°N in Nordgrönland zeigt uns, wie diese periglaziale Polarwüste ausgesehen haben muss, mit ihrem jährlichen Niederschlag von weniger als 100 mm. Blasø liegt in der Nähe des nördlichen Randes der Grönländischen Inlandeisdecke, etwa 70 km von der Küste entfernt.

3,5% des eisfreien Bodens ist dort mit Seggen-Moor bedeckt. Aber diese Seggen erzeugen nur 25,1 g DM/m² im Jahr. – Weniger als 1% des eisfreien Bodens ist dort mit Zwergweiden bedeckt. Diese Zwergweiden erzeugen nur 12,0 g DM/m² im Jahr. Die übrigen 95,5% des eisfreien Bodens sind unfruchtbar. Steine, vom Frost zerspalten, Kies und Sand decken ihn.

 

Kanadische Hohe Arktische Inseln: Pflanzenproduktion

Gebiet

Stelle Nr.

Oberirdisch lebend (g m²)

Produktion oberirdisch (g m² Jahr)

Art der Pflanzendecke

Melville Insel. 75°N

Nr. 3

Nr. 6

Mittel

Braun Sie 48,3

Grün 24,8

Braun 1,3

Grün 11,9

Braun 24,8

Grün 18,3

24,8

11,9

18,3

Polsterpflanzen-niedrige Sträucher

Pflanzen-Kraut-Polster

Banks Insel. 73°N Big River

Nr. 1

 

Braun 216,8

Grün 22,4

15,2

 

Dryas-C. rupestris

Thompson River,

Banks Insel

Nr. 9

Braun 212,6

Grün 87,0

54,8

Polsterpflanzen-Moos

Johnson Point,

Banks Insel

Nr. 22

 

Mittel

Braun 275,3

Grün 33,4

Braun 199,0

Grün 37,7

21,4

Dryas-Salix Halbwüste

Victoria Insel 71°N

Nr. 32

Nr. 37

Mittel

Braun 82,3

Grün 25,7

Braun 165,8

Grün 58,1

Braun 124,0

Grün 41,9

21,2

41,4

31,3

Polsterpflanzen-Kraut-Fjell-Feld

Dryas-C. rupestris

Oberirdische Pflanzenmasse und geschätzte Produktion auf einigen polaren Halbwüsten auf den Melville, Banks und Victoria Inseln, N.W.T. nach J. Svoboda (1977:206) Tabelle 12.

In solch einer Polarwüste hätte das arme Mammut während des Höhepunktes der Letzten Vereisung am Rand der kontinentalen Inlandeisdecke leben müssen, wenn die Eiszeitexperten die Wahrheit erzählten. Der Elefant wäre dort elendig verhungert, verdurstet und erfroren, in einigen Wochen, wenn nicht Tagen. Der Elefant kann noch leben, wo 250 g DM/m² im Jahr in 8-9 nassen Monate gewachsen sind, und denen dann 3-4 trockene Monate folgen.

Während der großen Trockenheit der Jahre 1970-71 in Tsavo Ost Nationalpark, in Kenya, Ostafrika, sind etwa 5.000 Elefanten und mehrere Hundert Schwarze Nashörner mit vollem Magen verhungert, wo nur 200 gDM/m² im Jahr von 235 mm Regen gewachsen ist. (Phillipson, J. 1975:176). Die beteuerte Anpassung des Wollhaar-Mammuts an strenge arktische Kälte ist keine Wissenschaft, nur Science-Fiction. Sie hat nichts mit ernsthafter wissenschaftlicher Forschung zu tun.

 

Moschusochsen-Herde bildet einen Verteidigungsring, mit den Hörnern nach außen. Die Jungen bleiben in der Mitte. Nach: Bernard Stonehouse, Animals of the Arctic - the ecology of the Far North (1971:110)