Kapitel 2: Truelove Tiefland, Devon Insel

In was für einem Klima und auf was für einer Pflanzendecke lebt der Moschusochse im Truelove Tiefland, auf der Devon Insel? - Im Buch, Truelove Lowland, Devon Island, Canada: A High Arctic Ecosystem (1977) werden wir mehr darüber erfahren. L. C. Bliss hat es bearbeitet.

Die Netto-Sonnenstrahlung am Boden betrug dort 17,8 kly/Jahr (17,8 kcal/cm² Jahr). Diese gemessenen Werte weichen stark von den Werten ab, die man für die Resolute Bay errechnet hat, 2,5 kly (2,5 kcal/cm²) im Jahr Nettostrahlung (Hare und Hay 1974). Die gleichen Autoren berichten auch, das die jährliche Nettostrahlung in der tiefen Arktis 11 kly (11 kcal/cm²) im Jahr (bei Barrow, Alaska) beträgt, und weiter im Süden 25 kly (25 kcal/cm²) Jahr (im Tiefland der Hudson Bay). Und sie sinkt erst im Norden der Ellesmere Insel auf Null ab. Das heißt, praktisch das ganze Festland und die arktischen Inseln haben eine positive Strahlungsbilanz. Die Nettostrahlung auf der Devon Insel sollte daher etwa 3 kly (3 kcal/cm²) betragen, statt 17,8 kly (17,8 kcal/cm²), wie oben angegeben (1977:89).

Mikroklimatische Studien auf dem Truelove Tiefland

Station

Breite N

Länge W

Temp (°C)

Mittlerer Niederschlag im Jahr (mm)

Wind (km hr)

Arctic Bay

73°00’

85°18’

-13,9

125

9,0

Resolute Bay

74°41’

94°54’

-16,2

130

18,7

Eureka

80°00’

85°56’

-16,4

67

12,2

Alert

82°30’

62°20’

-17,8

147

9,1

Nach Courtin und Labine (1977:74) Tabelle 1. Jährliche mittlere klimatische Daten von Wetterstationen, nahe der Devon Insel (Thompson 1967).

Rydén hat geschätzt, dass der jährliche Niederschlag auf dem Tiefland durchschnittlich 185 mm beträgt. ... Das Truelove Tiefland ist praktisch eine Oase in der Polarwüste in der Hohen Arktis. Das findet man aber nicht nur dort. Solches Tiefland findet man auch auf den Inseln, die der Devon Insel benachbart sind, ist aber nicht so stark ausgeprägt. Die Fosheim Halbinsel, der Hazen See und der Tanquary Fjord auf der Ellesmere Insel sind auch nicht für ihre Breite typisch. ... Das Truelove Tiefland hat nicht nur eine höhere Sonneneinstrahlung und wärmere Temperaturen, sondern auch viele nasse Wiesen, die einen großen Teil dieses Gebietes bedecken. (1977:96, 102, 103)

 

Ökologie und primäre Produktion der Seggen-Moos-Wiesen-Gesellschaften,

Truelove Tiefland, auf der Devon Insel

Die jährliche Nettoproduktion der oberirdischen Biomasse beträgt auf der Frostbeulen-Wiese durchschnittlich 28 g m², auf der Eishügel-Wiese (hummocky meadow), 42 g m² und auf der nassen Wiese 45 g m². Die oberirdische Produktion von 28-45 g m² war nur etwa halb so groß, wie auf der Seggenwiese in der tiefen Arktis. - Michael Muc (1977:169, 170, 179). (Tabelle 4).

 

Ökologie und primäre Produktion auf den erhöhten Strand-Gesellschaften,

Truelove Tiefland

Wachstumsperiode auf den erhöhten Stränden des Truelove Tieflandes, Devon Insel,

1970: 60 Tage (20. Juni–18. August)

1971 55 Tage (15. Juni–8. August)

1972 45 Tage (5. Juli–18. August). - J. Svoboda (1977:199)

Auf dem stark erhöhten Strand: Der mittlere Proteingehalt betrug etwa 5% bis 7% (Tabelle 15). Sowohl Protein als auch Phosphor waren auf dem erhöhten Strand niedriger, als in den Wiesenpflanzen. Relativ hohe Mengen Rohprotein hat man auch im Humus und in toten Pflanzenteilen gefunden, wahrscheinlich, weil dort viele Mikroorganismen und Wirbellose im Boden leben. Die Pflanzen enthalten viele Rohfasern (ca. 50%); deshalb sind sie schwer verdaulich, außer den wenigen Teilen, die grün sind. Auf dem stark erhöhten Strand enthielten die Pflanzen durchschnittlich ca. 5% bis 7% Protein (Trockengewicht). – J. Svoboda (1977:210)

Spezies

Pflanzenteil

Rohprotein (N x 6.25)

Dryas integrifolia

Grün

Braun

Stehend, tot

7,2

7,5

6,0

Saxifraga oppositifolia

Grün

Braun

Stehend, tot

5,0

5,6

5,8

Carex nardina

Green

Braun

Tote Pflanzen

5,0

3,7

3,3

Chemische Zusammensetzung der Pflanzen. Nach J. Svoboda (1977:211) Tabelle 15. Prozentsatz (luftgetrocknet) auf erhöhtem Strand, Truelove Tiefland, Devon Insel. Durchschnitt der Ernten. Ernte 1 (22. Juni), 3 (7. Juli) 8. August).

 

Energiegehalt von Pflanzen auf Truelove Tiefland, Devon Insel

Dryas integrifolia (5.259 cal/g)

Arktische Kräuter (4.840 cal/g), verglichen mit alpinen Kräutern (4.601 cal/g)

Arktische Weide S. arctica in Wiesen (5.106 cal/g), auf erhöhten Stränden 5.317 cal/g und 5.317 cal/g.

Alpine Weiden (Salix herbacea) und S. uva ursi vom Mt. Washington hatte einen Energiegehalt von etwa 4.920 cal/g (Bliss 1962).

                                                                    Nach: J. Svoboda (1977:211).

 

Gewebe

Energie (Kcal g)

Rohprotein (N x 6,25) (% der Trockenmasse)

Gräser

Lebendes Blatt

Totes Blatt

Stielbasis

Rhizom

4,79

4,78

4,79

4,65

19,5

9,187

7,687

7,687

Strauch

grünes Blatt

braunes Blatt

totes Blatt

4,82

4,98

4,53

4,53

8,000

6,000

6,000

Moos

grün

braun

4,35

4,35

5,937

5,000

Flechte

4,1

1,375

Rohprotein (N x 6,25) in oberirdischen Pflanzenteilen im Truelove Tiefland Ökosystem, Devon Insel. Nach T.A Babb, und D.W.A. Whitfield (1977:594) Tabelle 3. Die oben erwähnten oberirdischen braunen und toten Pflanzenteile auf dem Truelove Tiefland enthalten so viel rohes Protein, dass der Moschusochse damit im Winter wenigstens sein Körpergewicht halten kann, wenn es davon genug Trockenmasse gibt. Der Moschusochse schaltet im Winter seinen Stoffwechsel herunter, ebenso wie der Elch und der Bison, auch wenn es viel Futter hat. Rhizom: erzeugt Keime über der Erdoberfläche und Wurzeln unter der Erdoberfläche.

 

Energiehaushalt und ökologische Leistungsfähigkeit auf dem Truelove Tiefland

Die Evapotranspiration ist hier wichtiger als im Norden Alaskas. Sie beruht wahrscheinlich auf der ungewöhnlich hohen Nettostrahlung (18 kly Jahr) (= 18 kcal/cm² Jahr), verglichen mit den erwarteten Werten von 2-3 kly (2-3 kcal/cm²) Jahr auf dieser Breite und den gemessenen 11 kly (11 kcal/cm²) im Jahr bei Barrow. Die Nettostrahlung umfasst an sonnigen Tagen 80% bis 90% der globalen Strahlung, aber nur 57% bis 67% an wolkigen Tagen. Die hohen Werte der Nettostrahlung helfen uns, zu verstehen, warum diese Gebiete für Pflanzen und Tiere günstiger sind.

Der Schnee ist im Winter auf den Kämmen der erhöhten Strände und an Stellen am Rocky Point, die mit Flechten bewachsen sind, etwa 15 bis 20 cm hoch. Auf den Wiesen und dem Eis der Seen und Teiche ist er 45 cm hoch, und auf den niedrigeren Hängen und dort, wo der erhöhte Strand in das felsige Gebiet übergeht, 60 bis 100 cm hoch. Wenn der Schnee schmilzt, bedeckt Wasser die Wiesen. Die zwei wichtigsten Weidegebiete im Tiefland sind die Wiesen, auf denen vorwiegend Seggen und Moose wachsen (sie bedecken 41% des Tieflandes), und die erhöhten Strände, die 11,4% des Tieflandes bedecken. - Whitfield, D.W.A. (1977)

 

Bestandteil

Salzmarsch

 

Eishügel-Seggen-Moos Wiese

Nasse Seggen-Moos-Wiese

Frostbeulen Seggen-Wiese

Gesamtes Gebiet

Oberirdisch: Seggen und Gräser

8,5

32,5

44,1

38,2

19,1

Kräuter  

4,5

1,5

3,2

1,6

Holzige Pflanzen

0

7,7

0

16,4

8,2

Gesamt-summe

8,5

44,7

45,6

57,8

 

Oberirdische Pflanzenproduktion (g/m²) der bedeutenden Pflanzengesellschaften auf dem Truelove Tiefland. Die mittleren Werte beruhen auf den Daten von 1 bis 3 Jahren (Bliss et al., Jefferies, Muc, Svoboda). Nach Whitfield, D.W.A. (1977:662) Tabelle 3.

 

Ergebnis: Truelove Tiefland, Devon Insel, Moschusochsen-Weide

17,8 kcal/cm² Jahr jährliche Nettostrahlung an Erdoberfläche

Jahresniederschlag 185 mm

Nasse Seggenwiese 45 g DM/m² Jahr

Eishügelwiese 42 g DM/m² Jahr

 

Moschusochsen-Weide auf Truelove Tiefland, Devon Insel

Pflanzenproduktion und Niederschlag, gDM/mm/Jahr

Solare Nettostrahlung an Erdoberfläche, kcal/cm² Jahr

Nasse Seggenwiese

0,243243

17,8

Eishügelwiese

0,227027

17,8

 

"Die Grenze von Tundra und Taiga (Nadelwald, offene Waldfläche und Waldtundra): In Kanada liegt die Südgrenze der Tundra in der Nähe der 75-80 kJ cm² jährlichen Nettostrahlung, in Alaska bei 67 kJ cm² (Hase & Ritchie, 1972). Es ist wichtig, einheitliche klimatische Faktoren zu benutzen, als einzelne, wie die Temperatur, um die Vegetationszonen zu demarkieren." - Bliss, L. C. (1981:8).

 

Hohe Arktis

Eine kürzere Wachstumsperiode (2 bis 2.5 Monate statt 3 bis 4 Monate);

kühlerer Sommer (Mitte Juli 4°C bis 8°C statt 4°C bis 11°C) und

Gradtage über 0°C (150° bis 600° statt 300° bis 900°). L. C. Bliss (1981:17)

 

Erforschte Stellen

Truelove Tiefland, Devon Insel, Kanada (75°33´N, 84°40´W)–ein hocharktisches Küstentiefland

Point Barrow, Alaska (71°18´N, 156°41´W)–ein tiefarktisches Küstentiefland. - Bliss, L.C. (1981:90).

„Das Truelove Tiefland, mit seiner mittleren Höhe von 25 m über dem Meeresspiegel, ist sehr fruchtbar, und zwar, weil es dort sehr feucht ist und weil die Nettostrahlung dort viel höher ist, als an anderen Stellen auf dieser Breite, wie Hare & Ritchie (1972) das errechnet haben (Courtin & Labine, 1977). Es ist von Polarwüsten-Vegetation umgeben, wie sie in einem kontinentalen hoch arktischen Klima wächst, obwohl es so dicht am Arktischen Ozean liegt. Deshalb ist die eisfreie Zeit im Jahr, in der die Pflanzen wachsen, dort sehr kurz – nicht länger als vier bis sechs Wochen.“ - Bliss, L. C. (1981:90).

Überwintern

Im Sommers dehnt sich die krautartige Vegetation von Horizont zu Horizont aus, und Futter scheint überreichlich vorhanden zu sein. Wenn es dann aber Winter wird, verlagern die Pflanzen ihre Nährstoffe unter die Erdoberfläche und die Blätter sterben ab. Dadurch sinkt dann der Nährwert des Futters. Und der Wind hat die fruchtbarsten Stellen, wo es mitten im Sommer viel Futter gab, mit Schnee zugedriftet, und die Tiere können dort dann nicht grasen.

„Pflanzenfresser, die schnell weit laufen können, verlassen dann einfach die Tundra im Winter und ziehen in günstigere Gebiete. ... Viele Karibu und Rentiere verlassen die Tundra, und gehen in die benachbarten bewaldeten Gebiete, oder in die Berge, wo der Wind den Schnee weg geblasen hat, wo der Schnee weich oder niedrig ist, und wo sie leicht an die Flechten herankommen. Sesshafte Arten, wie der Moschusochse, wandern nur kurze Strecken. Sie gehen dann in Gebiete, wo weniger Schnee liegt, wo sie leichter grasen können. Der Moschusochse frisst selten viele Flechten. Er ernährt sich im Winter hauptsächlich von toten und gefrorenen Gräsern und Seggen.“ - Bliss, L.C. (1981:365)

Devon Insel Moschusochsen

„Wenn wir jene Gebiete betrachten, wo der Moschusochse lebt, kann er 23% des oberirdisch wachsenden Futters im ganzen Tiefland nutzen. Im Sommer grast er im Truelove Tiefland nur sehr selten. Und in der Zeit, wo der Schnee schmilzt (Mai-Juni) und von August bis Februar fehlt er dort praktisch ganz. ... Im Laufe des Jahres ist das Futter des Moschusochsen von recht hoher Qualität und ändert sich nicht so sehr, wie die des Rentiers (Rangifer). Denn der Energiegehalt der Samen tragenden Pflanzen bleibt konstant bei 19,8 kJ (2,389 kcal) Gramm organische Materie (Muc, 1974). Die Verdaulichkeit schätzt man auf 62-75% (Hubert, 1974, 1977) und der jeweilige Sommer- und Winter-Stickstoffgehalt der Nahrung beträgt etwa 3,0 und 1,7%.“ - White, R. G. (1981:429).

Im Sommer: 3,0% Stickstoff (N) x 6,25 = 18,75% CP (Trockengewicht)

Im Winter: 1,7% N = 10,625% CP (Trockengewicht)

„Frühere Studien mit grasenden Pflanzenfressern auf Weideland in gemäßigten Breiten haben uns gezeigt, dass das verfügbare Futter darüber entscheidet, wie viel verdauliche organische Masse unterhalb einer Gesamtbiomasse das Tier aufnehmen kann (Trockenmasse) von 200-220 g m², oder eine verfügbare grüne Biomasse von 0,25 x 200 oder 50 g m².

Das säugende Rentier braucht 35 g m² grüne Biomasse, um sein Körpergewicht zu halten, und das nicht-säugende Rentier 25 g m². Das Schaf braucht 30 bis 40 g m² grüne Biomasse und das Lamm 30 bis 37 g m². Die gesamte oberirdische Biomasse der Gefäßpflanzen ist oft größer als 100 g m². Die meiste Zeit des Jahres über beträgt die Menge an Pflanzen, die grün sind oder welche die Tiere bevorzugen, meistens weniger, als 30% dieser Menge. Und man kann dann erwarten, dass die Tiere an Gewicht verlieren. Wenn weniger als 20 g m² oberirdische grüne Pflanzenmasse vorhanden ist, muss das Tier schneller grasen.“ White, R. G. (1981:439-441).