Kapitel 5: Kurznasenbär 2

 

Paul E. Matheus, Abteilung der Biologie und Wildtiere, Universität von Alaska bei Fairbanks, Alaska. „Diät und Co-ökologie von pleistozänen Kurznasenbären und Braunbären in Ostberingien“ in: Quaternary Research 44, 4476-453 (1995)

 

„Wir haben Kollagen für die isotopische Analyse von den gut erhaltenen fossilen Knochen von 16 Kurznasenbären entnommen und von 14 Braunbären aus Mittel-Alaska und aus dem westlichen Teil des mittleren Yukongebietes (Kanada). Außerdem haben wir die Knochen von 13 Bären von zwei heute lebenden Beständen des braunen Küstenbären Alaskas, sechs von der Admirality Insel und 7 von der Alaska Halbinsel untersucht. Die Isotopdaten von den heute lebenden Bären benutzten wir, um die Daten von den fossilen Knochen zu deuten, zu verstehen.

 

Radiokarbondaten sind für zwei der Kurznasenbären vorhanden (NMC 7438; ± 26.04 270 Jahre v.h., TO-2696; NMC 37577:29,600 ± 1200 Jahre v.h., I-11037) Harington, 1977; C. R. Harington, persönliche Mitteilung, 1995. Die anderen hat man in Sedimenten gefunden, die aus der Rancholabrean Zeit stammen (vermutlich meistens aus der Wisconsin Zeit). Diese Sedimente sind meistens Alluvium, von fließendem Wasser angeschwemmt. Und ihr Alter ist ungewiss. Einige dieser Funde, besonders die von Arctodos, können auch älter sein.“ (1995:447, 448)

 

δ15N Spiegel zeigen an, dass die Kurznasenbären Beringiens vorwiegend von Fleisch gelebt haben. Sie funktionierten hauptsächlich als sekundärer Verbraucher auf dem Festland. Und trophisch (in der Verbraucherpyramide) stand er über den meisten Braunbären.

 

Die isotopischen Daten von den Braunbären Beringiens zeigen uns, dass sie sich von verschiedenen Sorten von Futter ernährten. Er ernährte sich vorwiegend von Pflanzen, die auf dem Festland wuchsen. Einige dieser Braunbären haben sich aber auch ihr Futter an der Küste gesucht. Ich schließe daraus, dass sie dort Lachse gefangen haben. Diese Braunbären haben sich vorwiegend von Pflanzen und Lachsen ernährt. Das beweisen uns Daten von zwei Populationen von heute lebenden Braunbären in Alaska. Der Küstenbraunbär frisst verschiedene Mengen an Lachsen und Pflanzen. Das ist bei den einzelnen Bären verschieden. Oft hängt das auch vom Alter und vom Geschlecht ab.

 

Die Isotopen-Verhältnisse in diesen beiden Bärenarten [Braunbär und Kurznasenbär] sind in den verschiedenen Teilen des Landes verschieden. Bei dem Braunbären ist das so: Die Braunbären im Yukongebiet haben etwas weniger 13C als die Braunbären in Alaska. Das könnte bedeuten: Die Braunbären Alaskas haben manchmal Lachse gefressen, aber die Braunbären im Yukongebiet haben keine Lachse gefressen.

 

Die drei Kurznasenbären aus dem Yukon hatten den höchsten δ15N Spiegel von allen Kurznasenbären, die wir untersucht haben. Das zeigt uns, dass sie sich auf einer noch höheren Stufe auf der trophischen Pyramide befanden. Der Fund (NMC 7438) hat den höchsten .δ15N Wert. Das ist ein sehr großer Bär und das Musterexemplar von A. simus yukonensis).

 

Wenn man alles berücksichtigt, zeigen uns die isotopischen Daten von den Braunbären dies: Die Braunbären ernährten sich vorwiegend von Lachsen und Pflanzen, und nur gelegentlich vom Fleisch von Tieren, die auf dem Festland leben.“ Paul E. Matheus Quaternary Research 44 (1995:449)

 

Arctodus als spezialisierter Aasfresser

 

„Die beständigen Isotope zeigen uns: Arctodus in Ostberingien hat sich nur von Fleisch ernährt. Aber die Isotopdaten zeigen uns nicht, wie die Kurznasenbären sich ihr Futter gesucht haben, was für Futter sie gefressen haben, und wie sie in die Tierwelt des Pleistozäns hineinpassen und wie sie mit den anderen großen Fleischfressern zurecht kamen. … Ich schlage folgendes Modell vor, das man nachprüfen kann:

 

Der Kurznasenbär war vorwiegend ein Aasfresser. Er hat sich von den Kadavern großer Säugetiere ernährt, die weit verstreut im Land herum lagen. Er war so gebaut, dass er leicht große Strecken zurücklegen konnte und dass er andere große Fleischfresser einschüchtern konnte. So konnte Arctodus in seinem großen Revier (Heimatgebiet) leicht nach Futter suchen. Und wenn er Futter gefunden hatte, konnte er es leicht gegenüber anderen großen Fleischfressern verteidigen.

 

In diesem Modell nehme ich folgendes an: Der Körperbau von Arctodus war der Art und Weise angepasst, wie er sich sein Futter suchte. Und Arctodus ernährte sich von Fleisch. Wenn man davon ausgeht, muss Arctodus entweder ein aktives Raubtier gewesen sein, ein Aasfressers, oder beides zusammen. … Ich schlage vor: die Gliedmaßen von Arctodus waren so gebaut, dass er leicht, sehr schnell gehen konnte. Er ging vielleicht im Schritttempo; aber er konnte nicht schnell laufen. Außerdem: Kurtén drückt das in seinem Modell so aus: Es ist für Arctodus von Nachteil, wenn er schlank gebaut ist, wenn er sehr große Tiere erbeuten möchte.“ Paul E. Matheus Quaternary Research 44 (1995:451)

 

„Speth (1989) und Martin und Martin (1993) haben auf folgendes hingewiesen: Ein Fleisch fressendes Tier kann nicht über einen längeren Zeitraum hinweg alle seine Kalorien aus Protein (magerem Fleisch) gewinnen, hauptsächlich, weil die Leber des Tieres schließlich die Aminosäuren nicht mehr umwandeln kann. Fleischfresser müssen einige Kalorien aus Lipiden (Fetten) oder Kohlenhydraten (wie Stärke, Zucker) gewinnen. Und die Lipide (Fette) enthalten wichtige (lebensnotwendige) Bestandteile für den Stoffwechsel, besonders Fettsäuren. In den Jahreszeiten, in denen das Fleisch der Beutetiere besonders mager ist, müssen die Fleischfresser anderweitig Fett finden und zu sich nehmen. Sonst magern sie ab, werden krank und müssen sterben (Martin und Martin, 1993). Fleischfresser, die Röhrenknochen aufbrechen und so an das Mark gelangen, haben eindeutig einen Vorteil, besonders in der Zeit des Jahres, wo sie am wenigsten Futter finden. Und das ist wahrscheinlich in den Ökosystemen der Nordhemisphäre in den Eiszeiten des späten Pleistozäns der Fall gewesen.

 

Wenn die Kurznasenbären große Aasfresser waren, die Kadaver von anderen großen Fleischfressern stehlen konnten, dann ist es unwahrscheinlich, dass die Braunbären für sie Konkurrenten waren. Die Bräunbären hätten bestimmt gerne die Tierkadaver aufgefressen. Aber wahrscheinlich zogen sie sich zurück, wenn ein Kurznasenbär kam und den Kadaver für sich beanspruchte.

 

Der Braunbär kann sich verschiedenen Landschaften anpassen, und den Winter über schläft er in seiner Höhle. Deshalb hat er vielleicht das Ende des Pleistozäns überlebt. Der Kurznasenbär Arctodus, dagegen, war bei seiner Futtersuche hoch spezialisiert. Deshalb konnte er kann in den Ökosystemen des Holozäns keine Nische mehr finden. In den Landschaften des Holozäns (nach der letzten Eiszeit) gab es so wenige Kadaver, dass der Kurznasenbär schließlich ausstarb. Viele Bären halten einen Winterschlaf, damit sie überleben können, wenn zu wenig Futter vorhanden ist. Dies mag indirekt darauf hinweisen, dass der Kurznasenbär, und vielleicht alle Bären der Neuen Welt, niemals gelernt haben, den Winter über zu schlafen, um so zu überleben.“ Paul E. Matheus Quaternary Research 44 (1995:452)