Kapitel 7: Brauner Küstenbär

 

Echte Bären, von Fred Kurt unter Mitarbeit von Bernhard Grzimek und Victor Zhiwotschenko, in Grzimeks Enzyklopädie Band 3 (1988) München.

 

Winterschlaf und Winterquartier

 

„Erst in jüngster Zeit ergründeten amerikanische Forscher wie John J. Craighead und G. Edgar Folk den Körperhaushalt von Eisbär, Baribal und Grizzlybär während der Winterruhe. Ihre Erkenntnisse waren geradezu sensationell: ‚Wir glauben, dass der Winterschlaf der Bären viel perfekter ist als derjenige kleiner Säugetiere’, schreibt Folk nach einer achtjährigen Studie. Damit steht er im Widerspruch zu der früheren Schulmeinung, die etwa hieß: ‚Im Winter verfällt der Bär bei normaler Körpertemperatur in eine Art Halbschlaf. Dadurch ist er im Gegensatz zu den eigentlichen Winterschläfern jederzeit imstande, sein Lager zu verlassen, wenn er sich in seiner Sicherheit bedroht fühlt.’ Weit gefehlt: Winterschlafende Bären lassen sich zwar durch massive Störungen aufwecken, ganz im Gegenteil zum Murmeltier, ihr Körperhaushalt ist aber während des Tiefschlafs auf Sparflamme gestellt, ja es scheint fast so als wären sie dem Tode näher als dem Leben.

 

Bei winterschlafenden Grizzlybären beispielsweise verlangsamt sich der Puls von den üblichen 70 Herzschlägen pro Minute auf die Hälfte. Baribals [Schwarzbären] senken ihre Bluttemperatur während des Winterschlafs um wenigstens einen Wärmegrad von rund 38° auf 37 °C. Mehr noch: Winterschlafende Bären sind in der Lage, wenigstens viereinhalb Monate lang weder zu trinken noch zu essen. In dieser Zeit geben sie weder Harn noch Kot ab. Ihr Körper wird ausschließlich von den Fettvorräten, die sie sich den Sommer über anfuttern, versorgt. So ist es nicht erstaunlich, dass sie am Ende des Winterschlafs ein Siebtel bis ein Viertel ihres Körpergewichts verloren haben, obwohl der ganze Körperhaushalt stark gedrosselt ist. Dies zeigt sich etwa darin, dass winterschlafende Bären lediglich halb soviel Sauerstoff verbrauchen wie im Wachzustand.

 

Man fragt sich zu Recht, warum erst in jüngster Zeit entdeckt wurde, dass Bären echte Winterschläfer sind. Schließlich leben und lebten Tausende von ihnen in zoologischen Gärten. Hier halten die Bären aber keinen Winterschlaf. In den Ställen ist es zu warm. Zudem werden sie gefüttert. Der Winterschlaf stellt sich aber erst bei Futtermangel und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ein. In diesem Punkt unterscheiden sich Bären vom Siebenschläfer. Der winterschlafende Nager fällt unabhängig von der Temperatur in den Tiefschlaf, wenn die Tage kürzer werden. Zudem sinkt er rasch in seine natürliche Narkose. Bären dagegen müssen ihren Körper wenigstens zwei Wochen lang umstellen.

 

Auch die nordamerikanischen und russischen Bären bauen und beziehen Höhlen, wenn der Winter naht. Sie graben ihre Winterquartiere meist an steile Südhänge. Dies hat besonders in arktischen Gebieten eine große Bedeutung. Hier tauen nämlich die ewig gefrorenen Böden während der warmen Jahreszeit bis in eine Tiefe von zwei Metern auf, an anderen Stellen höchstens einen halben Meter tief. An Steilhängen fließt zudem das Schmelzwasser im Frühjahr sofort ab.

 

Harry V. Reynolds und seine Mitarbeiter vermaßen in Nordost-Alaska 56 Höhlen der mächtigen Grizzlybären. Die Eingänge zu diesen beeindruckenden Erdbauten sind einen halben bis drei Meter hoch und breit. Die Höhle selbst dringt drei bis neun Meter tief ins Erdinnere und weitet sich am Ende zu einem Kessel, an dessen Boden die Bären aus Pflanzenmaterial ‚Betten’ aufschütten, die einen Durchmesser von rund zwei Metern und eine Höhe von 30 Zentimetern haben. Orte, die sich zum Bau von Winterquartieren eignen, sind nicht besonders häufig in der Heimat der Grizzlies und liegen oft weitab vom Eigenbezirk, den die Bären im Sommerhalbjahr bewohnen. Reynolds maß Abstände zwischen Sommer- und Winterquartier, die drei, 13, ja sogar 55 Kilometer betrugen. (1988:480, 481).

 

Dezember und Januar sind auch für Braun- und Schwarzbären die Geburtsmonate. Meist werden Zwillinge geboren, gelegentlich eines oder drei Junge und in ganz seltenen Ausnahmen vier oder sogar fünf. Wie man aus zoologischen Gärten weiß, gibt es für Bären keine festen Brunft- und Tragzeiten. Braun- und Schwarzbären paaren sich zwischen Mai und Juli. Bis zu 16 Paarungen wurden zwischen einem Paar am selben Tag beobachtet. Das Liebesspiel kann sich an einigen aufeinander folgenden Tagen wiederholen.

 

Je nach Gewährsmann dauert die Tragzeit sechs bis sieben oder sogar sechs bis neun Monate. Trotzdem werden die Jungen alle zur selben Zeit geboren. Dies ist deshalb möglich, weil bei Paarungen im Frühjahr, die einer längeren Tragzeit vorausgehen, das befruchtete Ei sich vorerst nur bis zum Bläschen- oder Hohlkeim, dem so genannten Blastula-Stadium, teilt, dann die Weiterentwicklung unterbricht und sich auch nicht sofort in der Gebärmutter einnistet. Dies geschieht erst am Sommer-Ende. Solche durch Keimruhe verlängerten Tragzeiten sind auch von anderen Säugetieren bekannt.

 

Jungbären verbringen, je nach Art und Lebensraum, die ersten anderthalb bis zweieinhalb Jahre bei ihren Müttern – oder bei einem anderen Muttertier, das gleichaltrige Junge aufzieht. Denn es ist besonders bei nordamerikanischen Braunbären wiederholt beobachtet worden, dass Bärenmütter ihren Nachwuchs austauschen, dass sie fremde Junge adoptieren oder dass die Sprösslinge selbst sich eine andere Mutter suchen.“ (1988:482)

 

„Bären greifen Artgenossen auf gleiche Weise an, wie sie gelegentlich, wenn sie überrascht werden, Menschen anfallen. Gelegentlich treibt sie auch Hunger dazu, Menschen als Beute zu betrachten. Derartige Fälle meldet etwa der russische Bärenforscher ´S. K. Ustinov aus Irkutsk. In der Gegend des Baikalsees ging er mehr als 70 Fällen nach, bei denen Menschen von Bären angefallen wurden. 60 davon ereigneten sich im Winter. 17mal haben die angreifenden Bären ihre Opfer getötet und fünf davon fast gänzlich aufgegessen. Doch so etwas ereignet sich nur in äußerst futterarmen Zeiten. Und es sind so genannte ‚Shantuni’, welche Menschen angreifen, Bären, die zu schwach sind, einen Winterschlaf zu überstehen.“ (1988:492)

 

Braunbär (Ursus arctos)

 

„Der bekannteste Vertreter der Echten Bären ist der in vielen Unterarten einst über ganz Europa, Teile Nordafrikas, Nord- und Mittelasien bis Nordamerika verbreitete Braunbär. In Eurasien nimmt er von Westen nach Osten immer mehr an Größe zu. Die kleinsten Formen sind die Bären der Alpen (Länge 170 cm, Gewicht 70 kg bei erwachsenen Männchen), der Abruzzen und Karpaten. … Etwas größer sind die Bären Skandinaviens (220 cm, 250 kg, ausnahmsweise bis 340 kg). Die Größenzunahme erreicht beim Kamtschatkabären (Ursus arctos beringianus) im Osten Asiens und beim Kodiakbären (U. a. middendorffi) von Alaska ihren Höhepunkt. Bei diesen Unterarten erreichen erwachsene Männchen nicht selten eine Gesamtlänge von drei Metern, eine Schulterhöhe von 120 Zentimetern. Aber auch die Bären vom Ussuri, vom Jenissei und aus der Umgebung des Baikalsees gehören zu den Riesen unter den Braunbären, die übrigens nicht immer braun sind. Einige Unterarten sind von rotgelb über verschiedene Brauntöne bis schwarz gefärbt. Es gibt silbergraue und fahl isabellfarbene Braunbären. Zu den hellgefärbten altweltlichen gehören etwa der Isabell-Braunbär (Ursus arctos isabellinus) aus dem Himalaja oder der Syrische Braunbär (U. a. syriacus). In Nordamerika kann der Grizzlybär (U. a. horribilis), der auch Graubär genannt wird, die verschiedensten Färbungen aufweisen.“ (1988:493)

 

Küstenbraunbären in Südwest-Alaska

Von Berhard Grzimek

 

„Mein Sohn Christian und ich steigen auf einen kleinen Hügel neben den Stromschnellen des McNeil-Flusses, der in einer Bucht der Aleuten-Halbinseln vor dem südlichen Alaska mündet. Hier sehen wir am Ufer und auf den Felsen mitten im reißenden Wasser 17 Bären zugleich. Ganze zehn Meter ist der nächste von uns entfernt. Sogar 60 Bären zugleich hat der Biologe Lee Miller hier einmal gezählt. Wo sonst in der Welt gibt es noch so etwas? Die braunen und blonden Riesen versammeln sich hier jedes Jahr etwa von Anfang Juli bis Mitte August. Dann kommen nämlich von weit her aus dem Pazifischen Ozean die Keta-Lachse in Scharen den kurzen McNeil-Fluss herauf geschwommen, um hier zu laichen. Vor den Stromschnellen sammeln sich die Lachse in Gruppen von 100, manchmal über 1000 Köpfen an. Bis sie dann Kraft gesammelt haben, um zwischen den Felsen durch die 200 Meter rasend schnellen, weiß schäumenden Wasser empor zu schwimmen oder zu springen.

 

Hier lohnt sich das Fischen für die Bären! Die Riesenkerle sind fast ständig klitschnass. Von Zeit zu Zeit springt einer mit dem Kopf voran oder mit einem Bauchklatscher in das eiskalte Wasser. Andere bleiben eine gute Viertelstunde lang darin stehen; nur der Oberkörper oder der Kopf ragt daraus hervor. Sie schwimmen mit untergetauchtem Kopf, um im klaren Wasser die Fische unter der Oberfläche zu erkennen. Immer wieder steht einer bis zu einer halben Stunde so tief in der rasenden Strömung, dass das Wasser an seiner Brust ständig in einer weißen Bugwelle aufspritzt. Dabei haben sie doch nicht etwa viel wärmenden Speck unter der Haut wie Robben. Den wollen sie sich erst im Sommer anmästen. Das können sie recht leicht in diesen paar Wochen.

 

Zwanzig bevorzugte Fischplätze gibt es hier an diesen Wasserfällen, und die werden von den Bären ganz nach der Rangordnung besetzt. Der beste Fangplatz von allen ist ein Felsen mitten im Strom; dicht daneben müssen die Lachse sich auf dem Gestein im rasenden Flachwasser so empor quälen, dass der alte Bärenmann daneben sie so ziemlich mühelos greifen kann. Da wir von früh bis abends zusehen, finden wir heraus, dass er sieben bis acht Fische je Stunde erwischt, insgesamt 62 Lachse am Tag. Zum Schluss isst er nur noch die besten Teile, schließlich fast nur noch den Kaviar. Das übrige holen sich die gierig wartenden Möwen und die rangtieferen Bären. Denn die stehen auch an weniger günstigen Plätzen und erwischen meist knapp einen Fisch in der Stunde.

 

Wir beide überlegen uns, wovon die Bären hier leben. Es gibt in dieser Kamishak-Bucht keine Hirsche, Schneeziegen und Wildschafe. Bären gelten aber immerhin als ‚Beutegreifer’, als ‚Raubtiere’. Wovon ernähren sich also die 50 bis 60 Braunbären, die man hier im Umkreis des McNeils gezählt hat und die 80 bis 100, die jedes Jahr zeitweise zusätzlich hierher kommen? Ich hebe einen Kothaufen auf, die auf den Bärenpfaden liegen. Sie stinken nicht, sie sehen fast aus wie Pferdeäpfel. So breche ich sie auseinander und stelle mit Erstaunen fest: Sie bestehen fast nur aus kurz gebissenen Grashalmen. Der Braunbär, ob er nun als Grizzly, Kodiak oder sonst wie bezeichnet wird, lebt also beinahe wie ein Schaf von Gras, Schachtelhalm, Pastinak, Beeren und den Wurzeln vieler Pflanzen, wenn man von den sechs Wochen Lachs-Völlerei absieht.“ (1988: 494-496)

 

Tabelle, Seite 498: Braunbär: 150-780 kg Gewicht, hält Winterschlaf.

 

 

Brauner Küstenbär

 

Der Fernsehsender ARTE zeigte am 10. November 2003, um 18.50 Uhr, den Dokumentarfilm Grizzly Giganten, von Andreas Kieling. Andreas Kieling hat in Alaska in den letzten 11 Jahren gefilmt.

 

„In Zentral-Alaska finden die Grizzlies nicht viel zu fressen. Wir suchten besonders nach großen Grizzlies, konnten dort aber keine finden. Daher beschlossen wir, nach ihnen an der Pazifikküste Alaskas zu suchen, wo das Klima gemäßigt ist: auf den Kodiak Inseln. Die Gruppe der Kodiak Inseln bietet ungewöhnlich gute Bedingungen für die Bären. Dort sieht man auch Bärenmütter mit 3-4 Jungen. In den kalten Gegenden Alaskas haben sie höchstens 2 Junge.

 

Unter diesen günstigen Bedingungen auf den Inseln ist der Kodiak Grizzly entstanden, eine Unterart des Braunbären. Er ist besonders groß und schwer. Das machte sie berühmt. Sportjäger schießen dort die großen Bären. Da es jedoch viel Futter gibt, werden viele Junge geboren, die die Verluste ersetzen. Daher finden wir dort keine wirklich großen Bären. Jedes Tier benötigt dort ein Revier (Heimatgebiet) von 200 km². Trophäenjäger haben dort die meisten großen Bären abgeschossen, und zwar, völlig legal.

 

Deshalb segelten wir dann mit unserem Boot zu den Aleuten im Westen Alaskas. Das Meer ist sehr stürmisch: im Norden das Bering See. Und südlich von uns liegt der Pazifik. Bei den Aleuten beträgt die Differenz zwischen Ebbe und Flut ungefähr 7 Meter.

 

Braune Küstenbären grasen am Strand auf der Salzgras-Wiese. Zwei Weibchen grasen dort das Salzgras ab, ohne sich auszuruhen. Es enthält wichtige Proteine und Mineralsalze. Diese Riesen finden dort nur genug Futter, wenn sie dauernd fressen.

 

Eine Bärin mit Jungen benötigt bis zu 20.000 Kilokalorien am Tag, um ihre Jungen aufzuziehen, sie zu säugen, und um genügende Fett für den Winter anzusetzen. Wenn sie nur von diesem Salzgras leben müsste, würde sie wahrscheinlich nicht satt werden.

 

Auf den Aleuten gibt es keine Mäuse und Lemminge. Und Vogelnester sind dort an der Küste selten. In den letzten Jahrzehnten sind keine Menschen auf diesen Inseln und in diesen Buchten gewesen. Die Braunbären schwimmen dort von Insel zu Insel, um die Nester der Vögel zu plündern.

 

Bei Ebbe erscheinen die großen Schlammbänke am Strand. Und auf diesem Watt sehen wir die Spuren der Bären. Der Bär hat tiefe Löcher in den Schlamm gegraben (gebuddelt), und auf dem Boden liegen die Schalen vieler Muscheln herum.

 

Dann treffen wir am Strand dieser Bucht einen sehr großen braunen Küstenbären. Er ist 20 Jahre alt. Es ist ein Männchen. Er wiegt über 15 Zentner (750 kg). Er frisst dort Jacobsmuscheln. Hier hat man sie nie systematisch gejagt. In den Jahrhunderten können solche Riesen ungestört heranwachsen. An anderen Stellen locken Lachse oder saftige Wiesen die Bären an. Hier locken die Muschelbänke sie an. Bei Ebbe sind überall Bären auf dem Watt und suchen Muscheln. 

 

Zu diesen Inseln wandern die Lachse nur gegen Ende des Sommers. Reine Fleischfresser, die nur vom Fleisch anderer Tiere leben, würden hier verhungern. Und Pflanzenfresser, die nur von Pflanzen leben, könnten nicht die Muscheln und Fische fressen.

 

Die Jacobsmuscheln im Watt, von denen sie jetzt leben, sind so gleichmäßig verteilt, dass es kaum Futterneid zwischen den Bären gibt. Im unteren Teil dieser Schlammschicht leben viele Jakobsmuscheln. Wochenlang ernähren sich diese Braunbären nur von den Jakobsmuscheln.

 

Dann wandern die großen Braunbären von der Bucht über das Gebirge in das Hinterland, auf die saftigen Graswiesen. Die Brunftzeit hat begonnen. Dort treffen wir auch auf eine Bärin mit 4 Jungen. Hier ist das Klima, wie auf Kodiak, sehr gemäßigt.

 

Jetzt im Spätsommer beginnt die Zeit des Überflusses für die Küstenbraunbären. Jetzt im Spätsommer kommen die wirklich großen Lachsschwärme. Aber hier ist etwas anders. Die Lachse verlassen hier kaum das Meerwasser. Sie laichen bereits im Gezeiten-Bereich der Fjorde. Sonst gibt es kaum Flüsse, in denen die Lachse hoch schwimmen müssen, und auch keine Stromschnellen, die die Lachse überwinden müssen. Diese kleine Bucht ist für die Lachse bereits ihr Endziel, ihre Endstation.

 

Der Bär fängt sich einen Lachs. Dabei hat er wieder 4000 Kalorien aufgenommen, als seinen Vorrat an Winterspeck. Die Mütter können ihre Jungen jetzt mit fetten Fischen und Milch ernähren. So werden sie jede Woche einige Kilo schwerer.

 

Für die trächtige Bärin ist es jetzt, bevor der Winter beginnt, besonders wichtig, dass sie sich gut ernährt. Weil sich nur in dem Weibchen, das in seinem Körper genug Fett gespeichert hat, die Embryonen weiter entwickeln werden. Wenn die trächtige Bärin schlecht ernährt ist, werden die Embryonen in ihr absterben. Sie wird dann keine Jungen bekommen.

 

Auf dem Festland von Alaska: Ein Braunbär gräbt sich eine Schlafhöhle. Ihre Winterhöhlen liegen weit oben am Nordhang der Berge. In der kalten Höhle sind sie geschützt, weil der Boden dort nicht auftaut und weil das Schmelzwasser nicht in die Höhle läuft.

 

Im Winter schlafen die Bären, weil sie dann Monate lang nichts zu fressen finden. Wenn sie bei warmem Wetter im Winter zu früh aufwachen würden, müssten sie sehr lange hungern. Weil sich ihr Stoffwechsel dann wieder auf den normalen Zustand eingestellt hat. In nördlichen Breiten liegt der Grizzly bis zu 60% des Jahres in seiner Höhle in tiefem Schlaf. Deshalb sind die Bären im Norden Alaskas viel kleiner als die, die im Süden an der Pazifikküste leben.

 

Auf Kodiak und den Aleuten ist das Klima viel gemäßigter, als auf dem Festland; weil das Meer, das sie umgibt [und der warme Japanische Golfstrom] viel wärmer sind. Man nimmt an, dass viele Braunbären auf den Aleuten überhaupt keinen richtigen Winterschlaf halten. Weil sie dort auch im Winter genug Futter finden, damit sie aktiv bleiben können. Sie wachsen dann zu jenen legendären Riesen heran.“ Nach: Andreas Kieling, Grizzly Giganten (2003)

 

Anmerkung: Die große Küstenbraunbärin, mit Jungen, muss im Herbst jeden Tag 20.000 Kalorien aufnehmen, indem sie die fetten Lachse frisst, die sie sich fängt. Denn nur, wenn die trächtige Bärin genug Fett gespeichert hat, werden die Embryonen in ihr heranwachsen. Wenn sie zu mager ist, zu schlecht ernährt ist, wenn sie in ihren Winterschlaf fällt, werden die Embryonen in ihr sterben. Ein fetter Lachs enthält dort etwa 4000 Kalorien. Deshalb muss sie dann jeden Tag mindestens 5 Lachse fangen und fressen. Nur indem sie Gras frisst, wird sie nicht genug Fett ansetzen: Weil der Bär das Gras nicht so gut verdaut wie ein Huftier. -  10. November 2003, 18:59 Uhr ARTE, Grizzly Giganten, von Andreas Kieling.

 

 

Der Braunbär/Grizzly in Alaska, von Sterling Eide, Alaska Abteilung der Fische und Wildtiere, Wildlife Notebook Series.

 

„Im Volksmund versteht man unter einem Braunbären einen Bären, der an der Küste lebt, während man diejenigen, die im Inland leben, als Grizzlies bezeichnet. In diesem Artikel bedeutet „Braunbär“ alle Braunbären, alle Angehörigen von Ursus arctos.

 

Das Gewicht des Bären schwankt während des Jahres. Bären wiegen im Frühjahr und Frühsommer weniger. Im Spätsommer und im Herbst werden sie schnell schwerer, und wenn sie in ihre Winterhöhle gehen, sind sie sehr fett. Das Männchen wiegt dann zwischen 500 und 900 Pfund (227-408 kg). Sehr große Männchen können bis zu 1.400 Pfund (635 kg) schwer werden. Das Weibchen wiegt nur halb oder dreiviertel so viel.

 

Die haarlosen Jungen wiegen weniger als ein Pfund. Sie werden im nächsten Januar und Februar in der Winterhöhle geboren. Die Bärin bringt ein bis vier Junge zur Welt, meistens zwei. Die Jungen bleiben bei ihrer Mutter bis sie zwei Jahre alt sind. Der Braunbär bringt alle zwei oder drei Jahre Junge zur Welt.

 

Der Braunbär ist ein Allesfresser. Er ernährt sich vorwiegend von Beeren, Gras, Seggen, Schachtelhalm, Kuhpastinak, Fischen und den Wurzeln vieler Pflanzen. Das Fleisch von Wildtieren und Haustiere frisst er, wenn es vorhanden ist. Der Braunbär reißt wahrscheinlich nicht viel Wild, außer im Frühjahr, wenn er die kleinen Kälber leicht einfangen kann. Bären fressen gerne Aas. Sie werden das Fleisch irgendeines Tierkadavers fressen, den sie finden.

 

Bären gehen gewöhnlich im November und Dezember in den Winterschlaf und kommen im April oder May wieder aus ihrer Höhle. In Gegenden, wo es sehr kalt ist, bleiben sie länger im Winterschlaf. Weibchen mit neugeborenen Jungen kommen später aus ihrer Höhle, als Bären, die einzeln leben. Die Höhle ist häufig eine natürliche Höhle zwischen Baumwurzeln oder Felsen oder eine Höhle, die sich der Bär selbst gegraben hat. Die Höhlen befinden sich meist hoch oben auf einem Berg an der Baumgrenze; aber sie kann sich auch an irgendeiner anderen Stelle befinden: von der Meereshöhe bis über der Baumgrenze.“ Sterling Eide.

 

 

 

Der Braunbär nahe der Küste von Südalaska, an einem Fluss, wo die Lachse aus dem Stillen Ozean kommen, um zu laichen. Hier fangen große Küstenbraunbären Lachse an den Stromschnellen. Nach: Bernard Stonehouse, Animals of the Arctic, The ecology of the Far North (1971:124)

 

 

Wie der Braunbär auf der Kodiak Insel, Alaska, überwintert.

 

Lawrence J. Van Daele, Alaska Abteilung für Fische und Wildtiere, Anchorage, Alaska und Mitarbeiter. In: International Conference of Bear Research Management 8:257 - 267 (1990)

 

Erforschtes Gebiet

 

„Der Kodiak Archipel befindet sich im Golf von Alaska, etwa 400 km südwestlich von Anchorage, Alaska (Bild 1). Die Kodiak Insel ist die größte Insel in diesem Archipel. Sie umfasst 9.600 km². Die Region hat ein Seeklima. Der Himmel ist oft bewölkt, der Sommer ist recht kühl, es fällt viel Regen und es gibt oft Windstürme. Im Sommer wird es bis zu 13-18°C warm, und im Winter fällt die Temperatur selten unter - 6°C. Der Niederschlag in der Stadt Kodiak beträgt 157 cm im Jahr. In Meereshöhe fällt er meistens als Regen, und von Oktober bis Mai weiter oben in den Bergen als Schnee. Der südwestliche Teil der Insel ist im Sommer wärmer, der Winter ist kühler, und es fällt weniger Niederschlag als weiter im Norden.

 

Das Gebiet am Terror See, das wir untersucht haben, umfasst 774 km². Es liegt im Norden der Kodiak Insel. Die Landschaft im Innern der Insel besteht aus runden Hügeln und leichten Senken, Steilhängen und Gipfeln, die bis zu 1.340 m hoch sind, an den Nebenflüssen, die in die Kizhuyak und die Terror Bucht fließen. In den Buchten wachsen Wasserpflanzen. Und die Berghänge sind mit dichtem Gestrüpp bewachsen. Dazwischen liegen Wiesen. In den Bergen wachsen auch Weiden (Salix spp.), Seggen (Carex spp.), und Heidekraut. Den ganzen Sommer über gibt es viele Lachse: vorwiegend Pink (Oncorhynchus gorbuscha), Ketalachse (O. keta) und Coholachse (O. kisutch).

 

Das Gebiet im Südwesten der Kodiak Insel, das wir untersucht haben, umfasst 1.231 km². Es liegt zwischen den Uyak, Deadman und Olga Buchten. Die Landschaft besteht dort aus breiten flachen Senken, runden Vorbergen und an einigen Stellen, steilen Bergen. Den höchsten Gipfel (997 m) und das schroffste Gelände finden wir im Südosten des untersuchten Gebietes. Im Tiefland wächst ein Mosaik von Weidensträuchern und Heidekraut, an den trockeneren Stellen überwiegt das Heidekraut. Die Vegetation auf dem mittleren Teil der Berge ähnelt der am Terror See, aber hier gibt es nicht so viele Strauch-Dickichte. Die alpine Vegetation ähnelt der am Terror Lake, ist aber seltener. Lachse sind von Juni bis Oktober reichlich vorhanden. Hier gibt es mehr Lachse und in mehreren Arten als am Terror See. Sockeye (O. nerka), (O. tshawytscha), Coho, Pink und Ketalachse gibt es hier.

 

Die Bestandsdichte des Braunbären ist in beiden Gebieten ähnlich (1 Bär/2.9 km² am Terror See und 1 Bären/3.5 km² im Südwesten der Kodiak Insel, aber ihre Reviere (Heimatgebiete) unterscheiden sich beträchtlich voneinander. Am Terror See umfasst das durchschnittliche Revier der weiblichen Bären, die wir mit einem Sendehalsband versehen haben, 28 km² im Jahr und das der männlichen Bären 133 km². Im Südwesten der Kodiak Insel umfasst das durchschnittliche jährliche Revier der weiblichen Bären, die wir mit einem Sendehalsband versehen haben 92 km² im Jahr und das der männlichen Bären 219 km².“ Lawrence J. Van Daele (1990:257, 258)

 

Einige männliche Bären halten keinen Winterschlaf

 

„Einige männliche Bären halten hier keinen Wintersschlaf. Das scheint nichts damit zu tun zu haben, dass sie dort im Winter zu wenig Futter finden. Am Wetter scheint das auch nicht zu liegen. Einige Männchen waren den ganzen Winter über aktiv, und zwar in jedem Jahr, während wir dort forschten. Mehr als 25% der Männchen, mit Halsband-Sender am Terror See haben mindestens in einem Winter keinen Winterschlaf gehalten, während wir dort forschten. Es ist nicht selten, dass man auf dem Kodiak Archipel den ganzen Winter über auf Bärenspuren stößt. Wir haben keine Berichte von anderen Forschern gefunden, die über Braun/Grizzlybären berichten, die keinen Winterschlaf halten. Doch es gibt Berichte über Schwarzbären in Virginia und Nord Carolina, die keinen Winterschlaf halten (Hellgren und Vaughan 1987). Das recht warme Klima im Winter und die lange Jahreszeit, in der genügend Nahrung vorhanden ist, erlauben es einigen Bären auf Kodiak. länger aktiv zu bleiben als in anderen Gebieten, wo der Braun/Grizzlybär lebt.

 

Bären, die keinen Winterschlaf halten, liegen oft an Stellen, wo Sträucher oder Fichten wachsen. Immer wieder wandern sie kurze Strecken in ihrem Revier umher. Diese Bären sind niemals in eine Höhle gegangen. Sie verhalten sich aber so, als wenn sie ‚Winterschlaf halten, während sie umhergehen’, wie Nelson et al. (1983) das beschreibt. Sie verhalten sich wie Bären, die gerade aus dem Winterschlaf gekommen sind. Bei dieser Studie haben wir keine Daten darüber gesammelt, was diese Bären, die nicht den Winter über schlafen, fressen. Wir nehmen aber an, dass Bären, die keinen Winterschlaf halten, weniger fressen und dass sie manchmal einen niedrigeren Stoffwechsel haben.“

 

Von: Lawrence J. Van Daele, Alaska Abteilung für Fische und Wildtiere, Anchorage, Alaska und Mitarbeiter. In: Internationale Conference of Bear Research Management 8:265 - 266 (1990)

 

 

Terror See und Südwest Kodiak, Kodiak Insel, Alaska, wo man den Braunbären erforscht hat. Von: Lawrence, J. Van Daele. In: International Conference of Bear Research Management 8:58 (1990)

 

 

 

Wollhaarmammut im Yukongebiet. Nach: John Storer, Discover Beringia.