Kapitel 11: Pflanzenproduktion und Beutebiomasse

Oberirdische jährliche Pflanzenproduktion (Trockengewicht)

Wie viel oberirdische pflanzliche Trockenmasse erzeugen jetzt die verschiedenen zonalen Pflanzendecken im nördlichen Teil der Nördlichen Hemisphäre? Wie viel von diesen Pflanzen können die Tiere fressen? Und wie viel Huftier-Biomasse können diese verschiedenen zonalen Pflanzenzonen jetzt ernähren?

Darüber werden wir mehr erfahren in „Grasen in der Tundra und der Nördlichen Borealen Umwelt“ von R. J. Hudson und F. L. Bunnel in: Grazing Animals, F.H.W. Morley (Redakteur) (1980):

Klima. „Die hohe Spiegelung (Reflektion) von Schnee und Wasser bewirkt, dass die Absorption und die Menge der Nettostrahlung klein ist, etwa 15 kly (15 kcal/cm²) im Jahr auf der Tundra, 15-20 kly (15-20 kcal/cm²) im Jahr, wo die Tundra in den Wald übergeht und 20-35 kly (20-35 kcal/cm²) im Jahr im nördlichen Nadelwald. ... Die Tundra hat nur etwa 125 schneefreie Tage im Jahr, während der nördliche Nadelwald etwa 185 schneefreie Tage hat.“ - Hudson, R. J. und F. L. Bunnel (1980:205)

Pleistozäne Fauna. „Im Pleistozän haben die Tundra und der nördliche Nadelwald eine reichhaltigere Tierwelt ernährt als jetzt, die aus vielen verschiedenen Arten bestand, als die Umwelt dort nicht so harsch war und als die Vegetation produktiver war. ... Warum das so war, ist umstritten.“ Hudson, R. J. und F. L. Bunnel (1980:206). Von mir hervorgehoben.

 

Typische Werte für oberirdische trockene Pflanzenmasse, oberirdische Pflanzenproduktion im Jahr und wie viel das Tier davon fressen kann

Zone

Gesamte oberirdische pflanzliche Trockenmasse (g/m²)

Oberirdische Pflanzenproduktion im Jahr (g/m² Jahr)

Wie viel das Tier davon im Jahr fressen kann (g/m² Jahr)

Polarwüste

20,0

5,0

1,0

Tundra (wirkliche)

700,0

300,0

20,0

Waldtundra

2.000,0

300,0

40,0

Offener nördlicher Nadelwald

7.000,0

400,0

50,0

Nördlicher Nadelwald (wirklicher)

20.000,0

600,0

70,0

Gemischter nördlicher Nadelwald

35.000,0

1.000,0

85,0

Nach Hudson, R. J. und F. L. Bunnel (1980:209) Tabelle 11.1.

„Die besamte oberirdische trockene Pflanzenmasse der Waldzone schließt auch das Holz der Bäume mit ein, das die Tiere nicht fressen können. Was die Tiere von der jährlichen oberirdischen Pflanzenproduktion fressen können, schließt nicht-holzige Gefäßpflanzen, Flechten und den aktuellen Wuchs der Sträucher mit ein. Wir gehen hier davon aus, dass die Tiere 50% der nicht-holzigen Gefäßpflanzen, 10% der Flechten und der Sträucher, was im Jahr gewachsen ist, verzehren können. Wir haben hier nicht berücksichtigt, wie gut das Tier im Winter an sein Futter heran kommt, wenn es mit Schnee bedeckt ist.“ - R. J. Hudson und F. L. Bunnel (1980:209)

Tierproduktion nördlicher Weidegebiete

Zone

Tierart

Biomasse (kg/km² Jahr)

Produktivität (kg/km² Jahr)

Polarwüste

Moschusochsen, Peary Karibu,

0.0-10

0.,

Tundra

Karibu, Moschusochsen,

18-26

2

Waldtundra

Karibu

50-200

10

Offener nördlicher Nadelwald

Karibu, Elch,

200-500

100

Nördlicher Nadelwald

Elch, Rothirsch, Rentier, Moschustier,

3.000

500

Nördlicher gemischter Nadelwald (Europa)

Elch, Rothirsch, Reh, Wildschwein

4.000

700

Nördlicher gemischter Nadelwald (Nordamerika)

Bison, Wapiti, Elch,

5.700

1.100

Nach Hudson, R. J. und F. L. Bunnel (1980:210) Tabelle 11.2. Von kg/ha auf kg/km² umgestellt.

„Im Allgemeinen entspricht die Biomasse und Produktivität großer Pflanzenfresser dem Breitengrad und der Höhe der Pflanzenproduktion. Die Polarwüste ernährt nur 0,1 kg ha (0,0-10 kg/km²) Huftierbiomasse (Kevan, 1974). Die Tundra ernährt durchschnittlich etwa 0,18 kg ha (18 kg/km²) Huftier-Biomasse (Klein, 1970). Die Biomasse erhöht sich unter optimalen Verhältnissen im nördlichen Nadelwald auf über 50 kg ha, wo der nördliche Nadelwald in die Prärie übergeht (Telfer und Scotter, 1975).

„Diese letzten Werte kann man mit den maximalen Werten von mehreren Hundert kg je Hektar vergleichen, die man in den reichsten Afrikanischen Savannen beobachtet hat. Aber diese hohen Dichten, die man im Elk-Island National Park beobachtet hat, sind vielleicht durch die Zäune beeinflusst worden, die verhindern, dass sich die Tiere ausbreiten und sich die Bestände normal regulieren. Typischere Werte, die man im europäischem Wald festgestellt hat, sind 4-10 kg ha (Grodzinski, 1975, der andere zitiert).“

„Wenn man die Biomassedichte der einzelnen Tierarten vergleicht, ist es wichtig, folgendes zu beachten: Einige Tierarten erreichen hohe örtliche Dichten, sind aber nicht weit verbreitet, wie z. B. der Bison, der Moschusochse und das Wildschaf. Einige Tierarten sind weit verbreitet und haben deshalb eine niedrigere Biomassedichte, wie z. B. der Elch und das Rentier.“ (1980:211).

„In der hohen Arktis erreicht der Moschusochse an einigen Stellen oft eine höhere Biomassedichte, als das Karibu. Und im nördlichen Nadelwald erreicht der Bison normalerweise eine höhere Biomasse, als die kleineren Arten, die dort auch leben. Das hat man auch auf den Weidegebieten in südlichen Breiten festgestellt.

„In der Polarwüste ist der Moschusochse auf den nassen Seggen-Wiesen am zahlreichsten. Das Peary Karibu lebt dagegen gewöhnlich im Hochland. Dort wachsen vorwiegend Dryas, Seggen, Gräser und Flechten.“ - Hudson, R. J. und F. L. Bunnel (1980:211)

Eine Gruppe Säbelzahn-Katzen Smilodon fatalis jagt einen Bison. Wahrscheinlich konnte nur eine Gruppe dieser Katzen einen ausgewachsenen Bison erbeuten. Der hier abgebildete Bison, Bison antiquus, ist das häufigste Huftier in den Ablagerungen von Rancho La Brea, in Kalifornien. Wahrscheinlich hat sich Smilodon vorwiegend von ihm ernährt. Nach: Maurico Antón and Alan Turner The Big Cats 1997 Tafel 12.

Der Steppebison war bis zur Küste des Eismeeres hoch verbreitet, als das Wollhaarmammut dort graste, und noch weiter im Norden, auf dem heute überfluteten Kontinentalschelf. Beide Unterarten des Bisons, der Prärie-Bison und der Wald-Bison, die heute im nördlichen Teil Nordamerikas leben, können dort den langen kalten Winter nur überleben, wenn sie sich in dichten Wäldern verstecken. Im Winter, wenn es sehr kalt ist und wenn Blizzards, Schneestürme tagelang toben, suchen sich die Bisons in diesen Wäldern ihr Futter. Dort sind sie vor der Kälte und dem Wind-Abkühlungs-Effekt (Kälte ohne Wind) geschützt.

Der Bison kann im Norden nur leben, wo solche dichten Wälder oder Waldinseln wachsen. Wo es keine Waldflächen gibt, kann der Bison nicht leben: weil er nicht dem Leben im offenen Gelände im Winter angepasst ist, wie der Moschusochse, weil sein Fell zu kurz ist. Er würde dann zu viel Körperwärme verlieren. In der offenen arktischen Tundra kann der Bison nicht leben. Dort würde er im Winter erfrieren. Der Bison kann noch aus einem anderen Grund nicht in der arktischen Tundra leben. Im Winter driftet dort der Wind die fruchtbarsten Stellen über mit hartem Schnee. Der Bison und andere große Huftiere würden dort verhungern. Daher konnte auch das noch größere Mammut nicht in einem arktischen Klima gelebt haben: weder auf der arktischen Tundra noch auf einer arktischen „Mammutsteppe“.

Daraus schließe ich: Als die großen Herden der Bisons im mittleren und nördlichen Teil Alaskas und des Yukongebietes weideten, war das Land mit Gras bewachsen. Und in diesem Grasland wuchsen an den feuchten Stellen Eschen, Pappeln, Fichten, Kiefern und Birken. Diese Bäume und Sträucher bildeten Waldinseln in einem Meer von Gras. Dieses Gemälde zeigt uns, wie Alaska und der Yukon ausgesehen haben könnten, als große Herden von Mammuten, Bisons und Pferden dort oben grasten. Im mittleren und nördlichen Teil Alaskas und des Yukons gab es damals keinen Dauerfrostboden, jedenfalls nicht mehrere Meter unter der Erdoberfläche.